Warum macht man eigentlich immer dasselbe in München?

© Anna Rupprecht

In Print-Zeitschriften gehört es dazu, dass der Herausgeber auf der ersten Seite die Stimmung, Meinung oder Richtung der jeweiligen Ausgabe einfängt. Warum gibt es das auch nicht online?, haben wir uns gefragt. Denn genauso schwirren jede Woche Gefühle, Stimmungen und Meinungen durch München, die wir zwar mitbekommen, aber nirgends festhalten. In dieser Kolumne ist Platz, um all meine Gedanken zu München und dem, was mir in der Stadt begegnet ist, zu sammeln. Heute: Warum dauert es so lange, bis man dann mal was Neues ausprobiert?

Capri auf dem Olympiasee? Sah schön bunt aus auf Instagram. Das Blitz? Soll eine gute Anlage haben, hab ich gehört. Und Lit Roof? Tolle Dachterrasse, aber gefeiert habe ich dort nie. So oder so ähnlich sähe meine traurige München-Biografie des Sommers aus. Es haben zwar gefühlt 183 neue Locations aufgemacht, aber ich war genau in: keiner. Stattdessen frühstückte ich zum 63. Mal im Café Hüller, bestellte immer und immer wieder die Gorgonzola-Spinat-Pizza im La Sophia und trank meine Weinschorle auf der Terrasse vom Cucurucu. Man beschwert sich ja immer, dass es nichts gibt in München, dass nichts Neues passiert. Gleichzeitig geht man aber immer an dieselben Orte.

Es haben diesen Sommer zwar gefühlt 183 neue Locations aufgemacht, aber ich war genau in: keiner.

Liegt es an mir – bin ich einfach das größte Gewohnheitstier in dieser Stadt oder hat noch jemand anderes hier dasselbe Problem? Ist es vielleicht sogar ein München-Phänomen, dass man in dieser Stadt immer dieselben acht Lieblingsorte besucht, wenn man sie denn mal gefunden hat? Gibt's auch einfach nicht so viel? Oder ist es die Illusion der Großstadt, sowie in München die Illusion des Ausflugs vorherrscht – es reicht zu wissen, was man alles machen könnte, ohne es je umzusetzen. Man braucht die Vielfalt, ohne sie je wirklich zu nutzen.

An sich sind Lieblingsorte ja was richtig Gutes, aber sie sind eben auch gefährlich, denn man denkt: Das Risiko, woanders hinzugehen, vielleicht sogar in ein ganz neues Viertel, wo es dann nicht ganz so gut ist, ist viel zu hoch. Genauso hoch ist aber auch die Chance, dass man so einen Lieblingsladen dazu gewinnt. Natürlich habe ich keine Statistik dazu, aber wenn ich so überlege, habe ich es eigentlich selten bereut, einen neuen Ort ausprobiert zu haben. München hat ja auch so viele gute Bars, sauleckere Restaurants und schöne Cafés, dass sich schlechte Läden einfach nicht halten könnten. Was ist es also dann? Ganz einfach Faulheit, Angst?

"Jetzt waren wir immer noch nicht da" – wie oft ich diesen Satz schon gedacht, gesagt und von Freunden gehört habe, ist gar nicht mehr vertretbar. 

"Jetzt waren wir immer noch nicht da" – wie oft ich diesen Satz schon gedacht, gesagt und von Freunden gehört habe, ist gar nicht mehr vertretbar. "Da habe ich es immer noch nicht hingeschafft", erzählt man, wenn einer fragt, ob man schon in dem neuen Restaurant in Schwabing war. Der Andere nickt dann nur wohlwissend, denn ihm geht es ja genauso. Doch was meint eigentlich dieses "hinschaffen"? Wir sitzen jede Woche ja sowieso mindestens in einer Bar, zwei Cafés und vier Restaurants. Nur, dass es eben immer dieselben sind. Ich schreibe mir sogar Zettel, ganze Listen, erstelle Handyerinnerungen und lande dann doch wieder bei den Altbekannten.

Aber das Gute an diesem Job hier ist ja auch, dass ich immer wieder dazu gezwungen bin, Neues auszuprobieren – was für mich ein echter Segen ist. Denn so ganz von mir aus, würde ich jetzt keinen Tisch beim neuen Franzosen im Westend reservieren. Vielleicht ist das also der beste Tipp, den man sich selbst geben kann: Reservieren! Einen Stammtisch mit Freunden aufmachen mit dem man jede Woche ein neues Lokal testet. Man muss sich regelrecht zwingen, ein bisschen wie beim Sport. Und wie auch dort kommt am Ende immer was Gutes bei rum. Denn man erinnert sich nun mal an die neuen Orte, die zwei Mal an denen man etwas anderes gemacht hat, als an die 63 Mal, an denen man das selbe Frühstück bestellt hat.

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