Das München-ABC: V wie Verbote

München ist wahnsinnig schön – und manchmal auch ein bisschen langweilig, spießig und streng. Zu sauber und zu geregelt. Wenn dir auch jedes Mal auf der Isar-Brücke die Knie weich werden und dich aber nichts mehr aufregt als unsere Öffnungszeiten, Tanzverbote und Mutlosigkeit, dann bist du hier genau richtig. In unserem ABC schreiben wir auf, was wir an dieser Stadt unendlich gut, aber auch ziemlich beschissen finden. Diesmal: Verbote, weil kaum etwas anderes so sehr zu München gehört.

Ein Mal habe ich fast telefoniert beim Radl fahren. 25 Euro. Und ein Mal bin ich über eine fast grüne Ampel gefahren. 60 Euro und kein Erbarmen. Obwohl da niemand war – es war mitten in der Nacht am Mariahilfplatz, unter der Woche. Die Ampel schaltete schon seit vierzig Minuten nur noch für sich selbst. Interessierte die Polizei aber nicht. Verbot ist Gesetz. Und Gesetze – davon gibt es viele in München.

Wir bleiben typisch münchnerisch immer bei Rot an der Ampel stehen – aber nicht aus Angst jemanden oder uns selbst zu verletzen, sondern einfach nur aus Angst vor einer Geldstrafe.

Das sind natürlich nur harmlose Geschichten, die mir da passiert sind. Ich weiß auch von nächtlichen Hausdurchsuchungen wegen zwei Joints und von verdachtsunabhängigen Personenkontrollen am Hauptbahnhof, bei denen man sich einfach so mal komplett nackig machen muss. An einem normalen Sommerabend fahren mindestens vier Polizeiautos im Gärtnerplatz-Rondell und wer auf der falschen Straßenseite radelt, der kann froh sein, wenn er nicht mit auf die Wache muss.

Mindestens aber wird er von den anderen Radlern ermahnt. Unsere Stadt ist nämlich schon seit so langer Zeit so voller Verbote, dass auch die Einwohner*innen beim Kampf gegen Falschradelnde und -parkende gerne mit anpacken. Wir sind die Verbote so sehr gewöhnt, dass wir uns über noch so absurde Schilder, Regeln und Situationen weder wundern, noch diese hinterfragen. Das führt dann dazu, dass wir typisch münchnerisch immer bei Rot an der Ampel stehen bleiben – aber nicht aus Angst jemanden oder uns selbst zu verletzen, sondern einfach nur aus Angst vor einer Geldstrafe. Super.

Verbote sind ein ewig funktionierendes Perpetuum Mobile in München – wir meckern, hassen und lästern, aber helfen insgeheim mit, dass diese Stadt genauso ordentlich bleibt wie sie ist.

Auch, wenn wir also in München nicht gerade zum Reflektieren von Verboten erzogen werden, sollten wir ab und an einmal innehalten und uns fragen, was hier eigentlich gerade passiert – wenn man seinen Restaurantstuhl hinter die weiße Markierung schieben muss. Danke KVR, hier hat alles seine Begrenzung, der Spaß inklusive. Wenn man sein Fahrrad nicht einmal mehr anlehnen (!) darf oder an bestimmten Tagen weder getanzt, gefeiert noch laut Musik gehört werden soll. Um 24 Uhr setzen wir uns natürlich rein, ganz egal, wie schön der Sommerabend ist. Und hassen die Anwohner*innen.

Bis – und hier wird es lustig – wir selbst Anwohner*innen sind. Bis wir selbst an einem Donnerstagabend merken, dass uns die Lautstärke des Restaurants im Erdgeschoss ab halb elf doch ein bisschen annervt und wir schlafen müssen. Bis wir selbst fast gegen eine*n Radler*in knallen, weil er*sie auf der falschen Seite fährt. Und so ist es ein ewig funktionierendes Perpetuum Mobile in München – wir meckern, hassen und lästern über all die Verbote, aber helfen insgeheim ja auch mit, dass diese Stadt genauso ordentlich bleibt wie sie ist.

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