Am sonnigen Wochenende in die Berge – das mach' ich nie wieder!

© Anna Rupprecht

In Print-Zeitschriften gehört es dazu, dass der Herausgeber auf der ersten Seite die Stimmung, Meinung oder Richtung der jeweiligen Ausgabe einfängt. Warum gibt es das auch nicht online?, haben wir uns gefragt. Denn genauso schwirren jede Woche Gefühle, Stimmungen und Meinungen durch München, die wir zwar mitbekommen, aber nirgends festhalten. In dieser Kolumne ist Platz, um all meine Gedanken zu München und dem, was mir in der Stadt begegnet ist, zu sammeln. Diesmal: An einem schönen Sonntag ist es das Schlauste, einfach in der Stadt zu bleiben.

Sonntag, 23 Grad – da ist es nicht weit her, dass man sich als Münchner denkt: Ach, fahr' ich mal wieder raus, mache einen Ausflug. War lange nicht in den Bergen und die Stadt wird mir gerade ein bisschen zu viel. Ich will mal wieder weiter gucken, als nur bis zum nächsten Edeka, ich will gute Luft riechen und die Ruhe der Natur genießen. Also macht man sich auf den Weg Richtung raus, steht natürlich ein bisschen im Stau, aber das ist ja klar. Sonntags bei gutem Wetter machen halt viele den langersehnten Ausflug, denkt man noch. Bis man dann, so wie ich letztes Wochenende, über den Berg den Walchensee erblickt – und mit ihm ungefähr zweieinhalb Millionen Autos.

Weil ganz Schwabing, ach, was sage ich, ganz München heute "die Ruhe der Natur genießen" will. Und dafür auf irgendeinen Berg fährt, um neben dem Nachbarn Spinatknödel zu essen. Super.

Bis man weiter zur Herzogstandbahn fährt, aber nicht einmal parken kann, weil alles gesperrt ist und ungefähr 350 Leute auch noch nachmittags in der Schlange stehen. Bis man einfach wendet und direkt zurück nach München fährt, weil nicht einmal der Hauch einer Chance besteht, da heute bei Tageslicht noch raufzukommen. Bis man vier Stunden später inklusive Autobahnsperrung endlich wieder zurück in der Stadt ist – die zur eigenen Überraschung komplett leer ist. Weil ganz Schwabing, ach, was sage ich, ganz München heute "die Ruhe der Natur genießen" will. Und dafür auf irgendeinen Berg fährt, um neben dem Nachbarn Spinatknödel zu essen. Super.

Sehr lange war ich in der Illusion des Ausflugs gefangen und habe mich regelmäßig geärgert, dass ich am Wochenende im sonnigen München geblieben bin. Ich habe halt kein Auto und war auch immer ein bisschen zu faul, meine Wochenendetage komplett durchzuplanen, geschweige denn mir einen Wecker für die Berge zu stellen. Jetzt muss ich sagen: Ich werde es nie wieder anders machen. Denn dieser Sonntag war wirklich der schlimmste und unentspannteste Tag seit langem. Statt Bergblick, Ruhe und ein bisschen weniger los, gab es Blick auf die Leitplanke, Verkehrschaos und Kaufingerstraße am Walchensee.

Ich hörte nichts außer ein paar Eichhörnchen, die im Laub wühlten und fand – einen halben Tag und zweihundert Kilometer später – endlich, was ich die ganze Zeit gesucht hatte: Ruhe.

Zumindest endete Sonntag dann noch gut – in München. Wir fuhren von der Autobahn direkt zum Lieblingsitaliener in Obergiesing, bestellten Pizza und Spezi, saßen am frühen Abend auf der (komplett leeren!) Terrasse und tranken noch einen Cappuccino. Ich hörte nichts außer ein paar Eichhörnchen, die im Laub wühlten und fand – einen halben Tag und zweihundert Kilometer später – endlich, was ich die ganze Zeit gesucht hatte: Ruhe. Und Bergblick, wenn auch nur vom Giesinger Berg. Und das nur fünf Minuten von meiner Haustüre entfernt. Tja, manchmal liegt das Gute eben doch so nah.

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