Wie ich meine Ehrfurcht vor den Akademie-Studierenden verlor

© Nina Vogl

Wer kennt sie nicht? Diese eine Gruppe, zu der man aufschaut, die man bewundert. In München findet man sie besonders leicht, weil die Stadt praktisch von selbstbewussten Macher*innen lebt. Zumindest hat man das Gefühl, dass man eh alle Cliquen kennt, die es so gibt.

Das kann die coole Gang sein, die bei jeder guten Party ganz vorne am DJ Pult eskaliert – egal, wer auflegt, die sind ganz dicke mit jedem – die Bekannte, die mal eben ein neues Buch veröffentlicht hat oder dieser eine lässige Typ. Was er genau beruflich macht, weiß man eigentlich nicht. Fest steht, er ist einfach der Hammer! Vor solchen Leuten haben wir Ehrfurcht: Wir stellen sie auf ein imaginäres Podest und stufen uns damit automatisch selbst herab. In meinem Fall sind das die Studierenden der Akademie.

Die Akademie der bildenden Künste gleicht für mich dem Olymp, dem Sitz der Götter – das Gebäude erhebt sich vor mir wie auf einer Wolke schwebend.

Die Akademie der bildenden Künste gleicht für mich dem Olymp, dem Sitz der Götter. Wenn ich die Amalienstraße entlangschlendere, erhebt sich vor mir das Gebäude wie auf einer Wolke schwebend. Hier blicken die Studierenden aka die Götter und Göttinnen von oben auf mich, die Normalsterbliche, herab, füttern sich den lieben langen Tag gegenseitig mit Trauben, trinken wahnsinnig viel Wein und erschaffen ganz nebenbei noch Kunst. Wenn ich mich mal traue die heiligen Hallen zu betreten, bin ich unangenehm aufgeregt. Aber woher kommt diese Ehrfurcht? Verkörpern die Künstler*innen einfach etwas, das ich selbst gerne hätte, wäre oder könnte?

Ach ja, die Ehrfurcht. Laut Duden handelt es sich hierbei um die große Achtung vor der Würde einer Person, eines göttlichen Wesens oder einem großen Wert. Eigentlich ist es ja schön, wenn man Vorbilder hat, die einen motivieren. Das Problem mit der Ehrfurcht ist nur, dass sie einen eher demotiviert und einschüchtert.

Öfter mal aus der ehrfürchtigen Comfort-Zone trauen und hinein stürzen in die Gruppe, die man ja selbst auf das Podest gestellt hat.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man sich am besten mit diesem Gefühl konfrontiert. Letztens musste ich nämlich in die Akademie, um bei einem Projekt mitzuwirken. Je näher der Termin rückte, desto nervöser wurde ich. Doch einmal in der Situation angekommen, war es gar nicht so übel. Es war sogar richtig toll! Ich habe mich super wohlgefühlt, mit dem Künstler über seine Arbeit geredet und den Eindruck gehabt, dass er wirklich was auf meine Meinung gibt. Am Ende verließ ich die heiligen Hallen voller Euphorie – und wollte am liebsten gleich noch mal Teil von ihnen sein.

Was lernen wir daraus? Öfter mal aus der ehrfürchtigen Comfort-Zone trauen und hinein stürzen in die Gruppe, die man ja selbst auf das Podest gestellt hat. Meistens erkennt man dann, dass es sich hier auch nur um stinknormale Menschen handelt. Sie sind wie du und ich. Gelegentlich ergeben sich sogar neue Bekanntschaften, die den eigenen Horizont erweitern. Wenn nicht, ist das auch nicht schlimm. Immerhin ist man über seinen Schatten gesprungen und dafür kann man sich schon mal auf die Schulter klopfen – oder ein bisschen Ehrfurcht vor sich selbst haben.

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