Von Neukölln nach Untergiesing: München kann kein Fast Food

© Anna Rupprecht

Spätestens, als unsere Autorin Johanna aus Neukölln mit dem Transporter in die neue Straße in Giesing einbiegt, ist ihr klar: Das hier wird anders. In ihrer Kolumne "Von Neukölln nach Untergiesing" schreibt sie nun jede Woche auf, wie sie München kennenlernt und welche Unterschiede ihr besonders auffallen. Was sie liebt (den V-Markt!), was sie hasst (kein günstiges Schawarma hier!) und warum München manchmal doch gar nicht so anders ist als Berlin.

Auf den Instagram-Accounts meiner Freunde in Neukölln sehe ich Fotos von Halloumi-Schawarma-Tellern in der Größe von Autoreifen und ich blicke kopfschüttelnd und deprimiert auf meine Leberkassemmel. Versteht mich nicht falsch: Ich liebe Leberkassemmeln. Ohne Leberkassemmeln wär ich längst verhungert, weil ich es oft immer noch nicht auf die Reihe bekomme, mich rechtzeitig um meine Nahrungsversorgung zu kümmern und dann mit Heißhunger in den nächsten Laden hechte, der einen Batzen Leberkas in der Theke liegen hat. Aber es ist einfach nicht dasselbe!

Wenn ich einen guten und günstigen Dönerladen in München entdecke, dann ist das, als hätte ich einen der sieben Dragonballs gefunden.

Wenn ich einen guten und günstigen Dönerladen in München entdecke, dann ist das, als hätte ich einen der sieben Dragonballs gefunden oder den Raum der Wünsche oder das 151. Pokémon – ihr versteht schon. Dabei stehen die Chancen tagsüber noch vergleichsweise gut, denn wenn in München die Sonne untergeht, dann schwinden mit ihr die Möglichkeiten, an etwas Vernünftiges zu Essen zu kommen. Der erschreckende Beweis sind die Menschenmassen, die sich nachts im McDonalds am Stachus zusammenfinden.

Als ich das zum ersten Mal live erlebt habe, dachte ich, es gibt vielleicht Freibier oder es handelt sich um einen sehr schlecht organisierten Flashmob. Aber nein, die Leute wollen einfach nur essen. Ein urbaner Mythos besagt, dass die McDonalds-Filiale am Stachus angeblich die meistfrequentierte in Europa sein soll. Wundern würde es mich nicht.

Auf jeden Fall macht es mich traurig, all diese schönen, jungen Menschen in ihre Ein-Euro-Cheeseburger beißen zu sehen.

Auf jeden Fall macht es mich traurig, all diese schönen, jungen Menschen in ihre Ein-Euro-Cheeseburger beißen zu sehen, wenn sie in Berlin auch um vier Uhr nachts noch ein hausgemachtes, nährreiches Halloumi-Sandwich für denselben Preis bekommen hätten und es auch noch in aller Seelenruhe mit einem Gratis-Tee an einem Tisch hätten essen können, statt in drei Bissen diese Industriemasse an Nahrung im Stehen herunter zu schlingen. Meine Münchner Freunde verstehen meine Depression nicht: Wer’s nicht anders kennt, für den gibt’s nichts besseres als drei labberige Cheeseburger am Samstagmorgen.

Die größte Fast-Food-Beleidigung allerdings habe ich mal am Hauptbahnhof bei akutem Döner-Heißhunger zu mir genommen. Dort wird für unglaubliche 4,30 Euro etwas verkauft, das den dubiosen Namen „Hähnchen-Puten-Drehspieß“ trägt und das man allen ernstes mit Tzaziki, Barbecue- oder Asiasoße bestellen kann. Widerspricht das nicht irgendeiner Menschenrechtskonvention? Ist das der Untergang des Abendlandes, von dem immer alle sprechen? Ich fühlte mich auf jeden Fall persönlich beleidigt und tat etwas, was ich vorher nie getan hatte: Ich schmiss einen Döner weg. Wenn man man ihn denn so nennen kann.

Ich hangele mich von Leberkassemmel zu Leberkassemmel in der Hoffnung, irgendwann doch noch einen Schawarma-Laden zu finden, der geschmacklich und preislich mit meiner alten Heimat mithalten kann.

Kochunbegeisterte und nichtreiche Menschen wie mich stellt München auf harte Proben. Und ich hangele mich von Leberkassemmel zu Leberkassemmel in der Hoffnung, irgendwann doch noch einen Schawarma-Laden zu finden, der geschmacklich und preislich mit meiner alten Heimat mithalten kann. Bis dahin pilgere ich monatlich zurück nach Berlin, begebe mich mit meinem Gepäck ohne Umwege auf die Sonnenallee und bestelle ausgehungert und verzweifelt einen Al-Andalos-Teller für fünf Euro, mit dem man eine ganze Bambini-Fußballmannschaft satt bekommen würde. Imbissbesitzer Neuköllns, wenn ihr das lest: Hier in München herrscht Notstand! Schickt bitte Hilfe! Imbissfreunde Münchens: Wenn ihr etwas wisst, wendet euch an mich! Ich leide!

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