Ich wohn' mein halbes Leben in München – und bin manchmal immer noch fremd

© Munich Z

In diesem Jahr werden es 21 Jahre – vor 21 Jahren bin ich nach München gezogen. Unsere Beziehung darf also langsam selbst in den USA Autofahren. Grund genug, um mal ein Resümee zu ziehen. Denn nach wie vor ist unser Relationship Status kompliziert, auch wenn München meine große Liebe ist. Aber vielleicht haben das ja große Lieben auch so an sich, dass sie immer ein bisschen herausfordernd bleiben?

Wollen die Münchner gar keine neuen Freunde finden?

Als ich also im Jahr 2000 mit frischem Abi in der Tasche und dem Kopf voller Flausen nach München kam, war alles erst einmal ziemlich aufregend. Mein 5000-Einwohner Heimatort inklusive Eltern war 400 Kilometer weit weg und ich war bereit, mich München hinzugeben, wahnsinnig viele neue Freunde zu finden und das spannende Großstadtleben voll auszukosten.

Leider lief das mit den wahnsinnig vielen neuen Freunden nicht so wahnsinnig leicht. Was ich damals nämlich noch nicht wusste: ganz viele Menschen, die in München leben, kommen aus München oder aus dem Umland. Die haben gar keine Notwendigkeit, neue Freunde zu finden und – auch das war mir damals von meiner rheinland-pfälzisch-weinseligen Sozialisation her unbekannt – die wollen das auch gar nicht.

Vielleicht ist es, weil hier tatsächlich sehr vieles sehr schön und gut ist. Es ist einfach, sich in München wohlzufühlen.

Tatsächlich war es an vielen Orten so, dass ich mich lange Zeit eher ausgeschlossen als zugehörig gefühlt habe. Dazu kam dann noch, dass in meinen Lieblings-Bars immer die gleichen Leute rumhingen, die zu einer großen Münchner Clique gehörten und eher so semi-welcoming waren. München, ich gebe es zu, damals hab ich mich schon manchmal gefragt: Was ist denn los mit dir? Warum machst du es mir und den anderen Zugezogenen denn so schwer?

Vielleicht ist es, weil hier tatsächlich sehr vieles sehr schön und gut ist. Es ist einfach, sich in München wohlzufühlen. Die Stadt ist schöner als viele andere, das Wetter oft besser als anderswo, die Biergläser sind größer und die Berge näher. Da lässt sich leicht eine etwas wurschtige Mia san Mia-Kultur entwickeln, die Neuem gegenüber erst einmal skeptisch ist.

Aber hey München, ich wohne auch wahnsinnig gerne mit dir!

Das vielzitierte Millionendorf macht es auch einem Landkind wie mir sehr leicht, sich heimisch zu fühlen und gleichzeitig schätze ich all die urbanen Annehmlichkeiten, die das Großstadtleben so mit sich bringt: Im Zentrum in maximal 30 Minuten von A nach B zu radeln, den Kaffee-Dealer beim Vornamen zu kennen und die Schuhe zum Schuster am Eck bringen zu können, macht so ein schön warmes Gefühl im Bauch und gerade dann, wenn es Gefahr läuft, zu gemütlich zu werden, hat bestimmt jemand vor meine Haustür gekotzt.

Ich habe Freunde gefunden (yeah!), vielleicht nicht so wahnsinnig viele, wie ich es mir in meiner 19-jährigen Naivität ausgemalt hatte, dafür aber wahnsinnig gute

Und auch, wenn ich mir oft ein bisschen mehr offene Arme gewünscht hätte – am Ende ist doch eigentlich alles ziemlich gut: Ich habe Freunde gefunden (yeah!), vielleicht nicht so wahnsinnig viele, wie ich es mir in meiner 19-jährigen Naivität ausgemalt hatte, dafür aber wahnsinnig gute. Echte Münchner, Zugezogene, Umländer, alles dabei und total egal.

München, ich bin mit dir erwachsen geworden, habe gelernt, gute Bars von schlechten zu unterscheiden, habe verstanden, dass man Dirndl nicht im Pop Up-Store kauft, dass Brötchen Semmeln heißen und freu' mich immer noch ungelogen jeden Tag, wenn ich über die Reichenbachbrücke laufe und die Isar mich anfunkelt. Insgesamt haben wir bisher mehr gute, als schlechte Zeiten miteinander gehabt – so wie es in jeder ausgewogenen Beziehung eigentlich sein sollte, oder?

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