Das München-ABC: A wie Ausflug

© Anja Schauberger

München ist wahnsinnig schön – und manchmal auch ein bisschen langweilig, spießig und streng. Zu sauber und zu geregelt. Wenn dir auch jedes Mal auf der Isar-Brücke die Knie weich werden und dich aber nichts mehr aufregt als unsere Öffnungszeiten, Tanzverbote und Mutlosigkeit, dann bist du hier genau richtig. In unserem ABC schreiben wir auf, was wir an dieser Stadt unendlich gut, aber auch ziemlich beschissen finden. Diesmal: Eine Lobeshymne an den Ausflug.

Es gibt diese Wochen, da ist alles einfach nur voll. Da kommt man heim, nur um zehn Minuten später schon wieder los zu müssen. Da sollte man sich sogar aufschreiben, mal wieder Wäsche zu waschen – weil man sonst auch noch das vergessen würde. Da geht man morgens vor der Arbeit einkaufen, weil es sich gar nicht anders ausgeht.

Nach solchen Wochen falle ich Freitagabend in einen komatösen Schlaf – an ausgehen ist nicht einmal zu denken. Dann bin ich froh, wenn ich mein Abendessen nicht selber kochen muss und es mir jemand bis an meine Haustüre bringt. Das sind auch diese Wochenenden, an denen ich unbedingt rausfahren will – fast muss, weil mein Kopf sonst durchdrehen würde.

Die Häuschen werden immer weniger, die Straßen leerer, die Luft stiller.

Irgendwohin, wo man ganz weit gucken kann – und bitte mehr als nur den halben Meter bis zum Bildschirm. Irgendwohin, wo es kein Internet gibt. Ich nicht einmal ein Foto auf Instagram hochladen kann. Wo ich nicht erreichbar bin, es gar nicht sein könnte, selbst wenn ich es wollen würde. Handy und Kopf im Flugmodus.

Schon bei der Fahrt aus der Stadt heraus – die Häuschen werden immer weniger, die Straßen leerer, die Luft stiller. Dabei ist es ganz egal, wie man rausfährt. Während die Anderen noch im Bob tanzen, mit der BOB die Donnersberger Brücke hinter sich lassen, an kleinen S-Bahnhöfen Halt machen, an denen die Welt noch in Ordnung scheint, in Tutzing aussteigen und zum See laufen. Die Stadt war nie weiter weg.

Oder mit dem Auto – die Füße auf der Armatur und zusehen, wie München immer kleiner wird. Wie man schon nach wenigen Minuten nur noch Grün um sich hat. Auf der Autobahn das Fenster zumachen oder die Landstraße nehmen, alle Orte zählen, die auf -berg, -burg oder -dorf enden und über lustige Friseurnamen lachen.

Alles plötzlich so wahnsinnig egal scheint – die Prüfung, die Arbeit, die Probleme der Stadt.

Die einzige Schwierigkeit an solchen Tagen ist es, sich für ein Ziel zu entscheiden. Walchensee, Steinsee, Starnberger? In den schönen Biergarten in Mariabrunn oder einfach los und an irgendeinem Waldrand Halt machen? Sowieso, was Wälder mit Menschen machen. Und Berge. Und Wasser. Man kann richtig dabei zusehen, wie es still wird in einem. Alles plötzlich so wahnsinnig egal scheint – die Prüfung, die Arbeit, die Probleme der Stadt.

Das, muss ich sagen, liebe ich an München. Dass man gleich in der Natur ist. Dass man den Kopf so schnell und so zuverlässig ausschalten kann. Und auch, dass es jeder meiner Freunde absolut nachvollziehen kann, Freitagabend früh ins Bett zu gehen, um am nächsten Tag einen Ausflug zu machen. Mitten in der Gesellschaft angekommen, heißt es bei uns: Berg statt Bar, See statt saufen, Ausflug statt ausgehen.

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