Monaco Franzi: Haben wir ein Alkohol-Problem?

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Oans, zwoa, gsuffa! Trotz Vorsatz habe ich auch dieses Jahr die Wiesn nicht ganz ausfallen lassen können. Zwei Mal hat es mich dann doch ins Festzelt gezogen. Ist ja auch schee – Dirndl an, rauf auf den Tisch und eine Maß oder halt zwei oder auch drei. Nein, keine Sorge, das wird kein angepisster Oktoberfest-Hate-Artikel. Nein, die Wiesn hat mir viel mehr die Augen geöffnet. Dass ich mich auch nach der dritten Maß nur minimal betrunken gefühlt habe, angetrunken bestenfalls. Das hat mich schon etwas überrascht.

Bescheißen die auf der Wiesn beim Bier einschenken? Meine Mitbewohnerin, neben mir auf der Bierbank tanzend und den Refrain von Helene Fischers „Atemlos“ jauchzend, zuckt mit den Schultern: „Geh, Schmarrn! Wir haben halt das ganze Jahr sauber trainiert!“, zwinkert sie mir aufmunternd zu.

Trainiert? Ja, da ist wohl was dran. Wenn ich mich so erinnere, wie der Sonntagsbrunch mit den üblichen Kommentaren beginnt: „Leute, ich war so besoffen gestern, als ich diesen Max kennengelernt hab...“. „Haha, ja ich hatte mega einem im Tee, als Leni und ich dachten, es wäre eine gute Idee...“. „Wie ich heim gekommen bin? Keine Ahnung – ich weiß nur, dass ich einen Gin Tonic to go dabei hatte.“ Brüller!

Man braucht fast schon ein Attest für eine mittelschwere Mandelentzündung, wenn man sich beim Feierabendbier verweigert, ohne schief angeschaut zu werden.

So geht das dann mehrere Stunden. Vielleicht beziehungsweise ziemlich wahrscheinlich kennt ihr das auch von euch. Hallo? Am Wochenende wird man ja wohl noch ein paar Weinschörlchen trinken dürfen? Klar, go for it! Aber, wenn ich ganz ehrlich bin, dann trinke ich auch unter der Woche regelmäßig. Schlechten Tag in der Arbeit gehabt? Mit einem Glas Wein sieht die Welt gleich besser aus. Lob in der Arbeit gekriegt? Geil, das muss gefeiert werden. Aperölchen, bitte! Beim Griechen einen Ouzo aufs Haus nach dem Essen? Eh! Warum sind es am Ende doch vier Gratis-Schnaps geworden? Ja, mei.

Und das Schlimme – man braucht schon fast ein Attest für eine mittelschwere Mandelentzündung, wenn man sich beim Feierabendbier verweigert, ohne schief angeschaut zu werden. „Ne, heute trink ich nichts ...“. „Biste schwanger oder was? Jetzt hör auf – ich hab schon bestellt. Happy Hour!“. Schlimmer noch: Leuten, die nicht trinken, attestiert man am liebsten eine Sozialphobie oder Ähnliches. „Der trinkt nicht? Boah, mit dem stimmt was nicht. Super lame.“

An Wochenenden mindestens einmal einen Kater zu haben, gehört fast schon zum guten Ton

Das Problem mit der Sauferei ist ja auch, dass Alkohol gesellschaftlich absolut akzeptiert ist. Raucher – pfui in die Ecke! Aber so ein Sektempfang ist ja auf jeder größeren Veranstaltung ein Must-Have, auf der Geburtstagsfeier gibt es mindestens eine Schnapsrunde auf das Geburtstagskind und beim Tinder-Date verabreden wir uns auch nicht auf ein, zwei Apfelsaftschorlen an der Isar. (Überlegt mal, wie ihr schauen würdet, wenn euer Date erklärt, er bzw. sie trinkt nichts?).

Und auch die Nachwehen der Trinkgelage oder der „Auf ein Bier“-Entgleisungen sind voll in der Gesellschaft angekommen. An Wochenenden mindestens einmal einen Kater zu haben, gehört fast schon zum guten Ton. Vielleicht sollten wir beim nächsten Sonntagsbrunch mal kurz inne halten, bevor wir uns den Piccolo, den es zum Aufpreis von nur zwei Euro dazugibt, reinknallen. Ich Spielverderberin, ich weiß.

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