Schlachthof – Ein Gedanke zur Gentrifizierung
Gentrifizierung. Ein Begriff, der in letzter Zeit recht häufig gefallen ist. Jedem ist er geläufig, jedoch weiß keiner so recht, wo Gentrifizierung beginnt und wo sie aufhört. Hier der Versuch, dieses Phänomen anhand eines Münchner Viertels – dem Schlachthofviertel – zu umreißen:
Wenn es um Gentrifizierung geht, treffen gegensätzliche Interessen aufeinander. Auf der einen Seite möchten die Bewohner eines Viertels ohne großen finanziellen Aufwand Raum zum Wohnen und zur freien Entfaltung nutzen. Dem gegenüber stehen marktwirtschaftliche Aspekte und Motive.
Wenn es um Gentrifizierung geht, treffen gegensätzliche Interessen aufeinander.
Meine Reise beginnt mitten im Herzstück Münchens mit der Buslinie 62, Haltestelle Viktualienmarkt in Richtung Rotkreuzplatz. Die Busroute ist wie gemacht für Stadtromantiker und Fenstergucker. Vorbei am Sendlinger Tor; heraus aus der Altstadt hangelt sich der Bus auf seinem gemächlichen Weg von einem Klinkerbau zum nächsten, windet sich an dem mit Efeu bewachsenen Gemäuer des Südfriedhofs entlang und durchquert heruntergekommene Unterführungen. An der Haltestelle Tumblingerstraße drücke ich auf den Halteknopf und steige aus.
Seit einigen Monaten ist die Linie genau hier um eine Attraktion ärmer geworden. Denn konnte ich mich früher nicht entscheiden, wohin ich an der Ecke Tumblinger-/ Ruppertstraße schauen soll, gibt es jetzt zwar noch die farbig lackierten Wände zu bestaunen, doch direkt daneben offenbart sich nun eine große Lücke. Dort, wo vor vier Monaten der „Stattpark Olga“ diesen kargen Platz mit Leben füllte.
Es sind die ersten Vorboten einer Veränderung, welche in den nächsten Jahren auf das Stadtbild des Viertels einwirken wird.
Das alternative Wagenplatz Wohnprojekt musste im Juli weiterziehen, und das bereits zum dritten Mal seit seinem Bestehen. Auch der jetzige Standort in der Boschetsriederstraße ist erstmal nur auf zwei Jahre befristet. Am alten Standort hinge- gen lässt sich nichts mehr von dem kunterbunten Treiben erkennen - keine Konzerte mehr, kein Holzofengeruch mehr. Nur mehr Brachfläche und ein paar abgestellte Sprinter. Es sind die ersten Vorboten einer Veränderung, welche in den nächsten Jahren auf das Stadtbild des Viertels einwirken wird.
Auf dem ehemaligen „Olga Gelände“ entsteht ein dringend benötigtes Kompetenzzentrum für Erziehungsberufe mit einer Fachakademie für Sozialpolitik und einer Berufsfachschule für Kinderpflege. Das ehemalige Tröpferlbad wird saniert, genauso einige denkmalgeschützte und einsturzgefährdete Backsteingebäude in und um den Schlachthof herum.
Auf dem Schlachthofgelände wird das Münchner Volkstheater seine neue Heimat finden. Aufgrund von Brandschutzbestimmungen und Platzmangel soll der Umzug des Theaters bis 2021 vollständig vonstatten gehen. Temporäre Vergnügungsstätten, wie das Viehhof Kino, der Märchenbazar und der Bahnwärter Thiel werden dafür weichen müssen. Neben dem Volkstheater bliebe nach einem von der Stadt in Auftrag gegebenen Gesamtkonzept auch noch Platz für 400 fehlende Wohneinheiten samt Gewerbegebiet. Zudem mit eingeplant ist eine Grünanlage nahe der Gleise.
Doch was wird aus dem kleinen, versteckten urbanen Garten auf der Rückseite der Graffiti Wall? Gibt es für ihn dann auch noch Platz? Und wohin verziehen sich dann seine Bewohner, all die Bienen, Schnecken und Eidechsen?
Fest steht schon, Schweine und Rinder wird es weiterhin im Schlachthof geben. Denn der Bürgerentscheid in Aschheim vom 9. Oktober zeigte, die Ortsansässigen sind gegen eine Umsiedlung der Münchner Betriebe vor die eigene Haustür. Die Idee, den Schlachthof nach Aschheim zu verlagern, kam von der in Stadtlohn – einem kleinen Ort an der niederländischen Grenze westlich von Münster – beheimateten Immobilieninvestmentfirma Opus Munich GmbH & Co. KG.
Der Umzug der Münchner Schlachtbetriebe ließe deren Erbpachtrecht verfallen und hätte somit Platz geschaffen für neuen Wohnraum im Viertel. Dazu gab es auch positive Stimmen aus dem Münchner Stadtrat, solange sich der Investor an Kosten für die Infrastruktur beteiligt. Fragt sich nur mit welchem Geld?
Der Schlachthof bleibt in München, und die Zukunft des Viertels ohnehin spannend.
Einziger voll haftender Gesellschafter war die ebenfalls an der niederländischen Grenze ansässige Oppenheim & Co. Real Estate Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die gerade mal ein Stammkapital von 30.000 Euro vorweist.
Als mit Teilsummen haftende Personen traten Albert Harry Oppenheim aus Stadt- lohn, Rechtsanwalt Dr. Hüsken (Gesellscha s-, Handel- und Insolvenzrecht) und Roland Pickstock aus Shropshire, U.K. - früherer Direktor des Schlachthofs Pickstock Telford in Shropshire - in Erscheinung. Pickstocks Bruder Gregory leitet nun den Betrieb, an dem sich die internationale Holding Gesellschaft OSI Group beteiligt, welche in Deutschland exklusive Fleischliefer-Rechte an McDonalds hält. Doch der Traum der Investoren findet letztlich sein jähes Ende.
Der Schlachthof bleibt in München, und die Zukunft des Viertels ohnehin spannend. In fünf Jahren wirkt hier bestimmt alles ganz anders und um einiges aufgeräumter. Neue Gebäude. Andere Menschen. Alles kaum wieder zu erkennen, wäre da nicht dieser beißende Geruch.
Dieser Text von David Benno Bauer stammt aus der aktuellen Ausgabe des neuen Münchner Kulturmagazins "Concrete". Dieses könnt ihr in Cafés, Bars und Clubs der Stadt kostenlos lesen und mitnehmen. Damit das weiterhin möglich ist, unterstützt unsere Freunde doch noch bis 30.11. bei ihrer Crowdfunding-Kampagne!