München ist gar nicht so teuer, wie alle immer sagen
München, deine Klischees rennen dir so schnell voraus, dass du nicht selten sagst, "a leckts mi do am Oasch": Porsche, P1, Plastische Chirurgie – um sich das leisten zu können, müssen die Kinder der Stadt natürlich reich sein. Verdammt reich. Und hell yeah, was wäre ich froh, wenn diese Gleichung aufgehen würde. Anders kann man in München nicht leben, wenn überhaupt nur überleben, und dann reicht es auch nur für dieses andere P-Wort, das kalt im Kühlschrank liegt: Pizza.
Die Sache ist aber die: München ist nicht so teuer, wie deutschlandweit laut schnaubend statuiert wird und wie wir uns selbst immer zuraunen, wenn das Abendessen mit einem Glas Wein an der 20-Euro-Marke kratzt. Denn während wir uns ständig über alles beschweren, sind in anderen Städten die Mietpreise ganz heimlich, still und leise die Leiter hochgeklettert – ein Ende ist nicht in Sicht, und das überall.
Porsche, P1, Plastische Chirurgie – um sich das leisten zu können, müssen die Kinder der Stadt natürlich reich sein.
Egal wo: Wenn wir eine Wohnung haben, ist das Schlimmste geschafft. Denn von da an ist es eine Sache der Prioritäten. Und des Phänomens, dass man etwas gar nicht infrage stellt, wenn absolut jeder sowieso davon überzeugt ist. Stichwort: Kollektives Jammern. Fördert den Zusammenhalt bei der leidigen Frage, ob das zweite Glas Wein überhaupt noch drin ist.
Singapur gilt als die wahrscheinlich teuerste Stadt der Welt, in Europa ist es Zürich, dicht gefolgt von London und Paris. Fein, das sind alles Hauptstädte, die meisten mit Wahrzeichen von Welt, Millionenmetropolen, wo sich Kosmopolit*innen mit dem Cosmo in der Hand am Tresen treffen.
Aber München schimpft sich doch selbst Weltstadt (mit Herz inklusive), da darf der Vergleich also gezogen werden – spätestens beim FC Bayern München, der bis ins kleinste Dorf Tansanias bekannt ist und dem Oktoberfest, das weltweit Nachahmung findet. Also, München im Vergleich zu London oder Paris? Scheiß auf das zweite Glas Wein, her mit der Flasche!
Und was ist mit Vancouver, wo das Bier im Restaurant fünf Dollar aufwärts kostet oder Hamburg? Ja, Hamburg. Dort ist übrigens auch die Porsche-Dichte höher. Und eine Freundin erzählte mir kürzlich, dass die Mietpreise die von München übertroffen hätten, während eine andere, die in der Schweiz wohnt, mir folgende SMS schickte: „Gerade 60 Euro für vier Schaschlik-Spieße gezahlt.“ Natürlich verdienen Schweizer*innen mehr als Durchschnittsmünchner*innen, aber so ein Einkauf, der tut trotzdem weh – vor allem den Tourist*innen und den deutschen Student*innen, die deutsche Preise gewohnt sind.
Und was ist mit Vancouver, wo das Bier im Restaurant fünf Dollar aufwärts kostet oder Hamburg? Ja, Hamburg.
Ich arbeite freiberuflich und komme in München ehrlich gesagt ganz gut klar. Aber es ist halt eben, wie immer und überall, eine Frage der Prioritäten. Wenn ich jedes Wochenende im Club stehen will und dazu gediegen schwanken möchte, reißt das natürlich eine gewisse Kluft in den Geldbeutel. Das ist aber verdammt nochmal in jeder Stadt der Fall. Dazu all diese tagtäglichen Verpflichtungen wie im Café sitzen, Yoga machen, Restaurants besuchen – all das, was man als erwachsener Mensch plötzlich so tut.
Die Lösung ist: Mehr abwägen, weniger jammern. Ich gehe ein bis zwei Mal die Woche essen – einfach, weil's mich glücklich macht. Dafür koche ich ansonsten oft zuhause mit Freund*innen und besuche mittags gerne die Kantine der HFF, die ist nämlich die (öffentlich) beste der Stadt. Cappuccino zum fairen Preis gibt es überall, Museumsbesuche für einen Euro am Sonntag statt wann anders, ein ganzer Tag im Freibad für 4,20 Euro (das kann man mal machen), aber die Isar ist umsonst.
Außerdem müssen wir uns auch vor Augen halten, dass wir ganz bewusst Hinterdupfing und Haselünne verlassen haben, um Stadtluft zu schnuppern.
München ist vielleicht nicht das Super-Sale-Angebot unter den deutschen Städten – im internationalen Vergleich allerdings schon. Außerdem müssen wir uns auch vor Augen halten, dass wir ganz bewusst Hinterdupfing und Haselünne verlassen haben, um Stadtluft zu schnuppern. Und die ist in Deutschland bis auf wenige Städte eben nicht spottbillig – aber wollten wir nicht längst mit diesem Bashing der Ballungszentren aufhören?
Im Herzen wissen wir doch alle – am Chi-Chi kann man schräg vorbeischauen. Dort finden sich VHS-Angebote, günstige Boazn mit unbezahlbaren Geschichten, kostenlose Sportangebote, Umsonst-Festivals, kleine Art-House-Kinos und all die schönen Dinge, die sich Menschen leisten können, deren Zahl auf dem Konto am Ende des Monats stark verlässlich gegen Null geht.
Am Wochenende fliege ich nach Kopenhagen – die Stadt ist in verschiedenen Rankings unter den ersten drei der weltweit teuersten Städte vertreten. Da gebe ich dann mein Erspartes aus, siehe Prioritäten setzen. Zurück in München freue ich mich dann auf meinen Cappuccino in irgendeinem schönen Café. Zuhause in München. Und oftmals ist das Leitungswasser inklusive.