Lebemann, Junggeselle, Aufreißer: Es fehlt uns an weiblichen Single-Vorbildern

© Unsplash

Letzte Woche saß ich mit einer guten Freundin beim Abendessen. Nicht nur, dass man nach einer Trennung ziemlich mit Liebeskummer beschäftigt ist, ab einem gewissen Alter kommt dann auch noch diese Angst dazu. Die Angst, alleine zu bleiben, kein Kind zu bekommen, niemals zu heiraten – auch, wenn wir uns eigentlich nie überlegt haben, ob wir das wirklich wollen oder ob das nur ein Wunsch von außen ist. Von unseren Großmüttern, Müttern, der Gesellschaft und weil das eben alle so machen.

"Niemand will an seinem dreißigsten Geburtstag alleine sein", sagte sie, während sie ihr großes Glas fest umklammerte. Gegen diesen Satz fiel auch mir nichts Aufmunterndes mehr ein. Das stimmt natürlich – und obwohl meine männlichen Freunde sicherlich auch ab und an einmal solche Gedanken haben, höre ich Sätze wie diesen immer häufiger von Freundinnen. Weil Frauen unter viel größerem Druck stehen, weil da von uns viel mehr in kürzerer Zeit erwartet wird. Bis dreißig sollte dann auch langsam mal der Mann gefunden sein, mit dem wir uns niederlassen.

Männer, die länger alleine sind oder es auch bis ins hohe Alter bleiben, sind Lebemänner, Junggesellen, Aufreißer.

Dabei sind es aber nicht nur unsere Großmütter und Mütter, die Druck machen, sondern auch unsere Freunde. Als ich letztens mit einer Runde Jungs nach Jahren des Nichtsehens mal wieder zusammensaß und wir darauf anstießen, dass wir uns endlich wiedersehen, wurde auch ich gefragt, warum ich denn nun noch immer nicht mit jemandem zusammenwohnen würde. Mit 26.

Der 31-jährige Kumpel, der neben mir saß, hatte dieses Lifegoal zwar ebenfalls noch nicht erreicht, war sogar gerade dabei in seine erste, ganz eigene Wohnung zu ziehen – er blieb allerdings mit Fragen dieser Art verschont. Und ich ging mit dem Gefühl nach Hause, ob wirklich alles richtig sein konnte mit mir.

Single Vorbilder Frauen
© Unsplash

Dieses Gefühl bekommen Frauen nämlich – ganz egal, ob sie Mitte bis Ende Zwanzig oder Mitte bis Ende Fünfzig sind: Wenn du länger Single bist oder Ziele wie gemeinsame Wohnung, Kinder, Heirat nicht bis zu einem gewissen Alter erreicht hast, dann muss es an dir liegen. Du bist wahrscheinlich zu rebellisch, zu wählerisch, hast zu hohe Ansprüche oder bist sonst irgendwie seltsam, weil du es noch "nicht geschafft hast".

Das Schaffen sieht dann erst einmal so aus, dass man irgendjemanden findet, mit dem es nach außen hin nach Zweisamkeit aussieht. Wie gut und ob diese Beziehung überhaupt funktioniert, interessiert im ersten Moment nicht. Hauptsache man ist aufgeräumt und dein Umfeld kann erleichtert aufatmen.

Die einzige vorgezeichnete Single-Rolle für Frauen ist die der alten Katzen-Lady.

Männer, die länger alleine sind oder es auch bis ins hohe Alter bleiben, sind Lebemänner, Junggesellen, Aufreißer. Hier finden sich viele positive Rollen. Wenn Männer (immer noch) Single sind, möchten sie sich wahrscheinlich auf ihre Karriere konzentrieren, haben die Richtige einfach noch nicht gefunden oder werden immer wieder enttäuscht. Sie sind Singles, die sich ganz bewusst fürs Alleinesein entscheiden, die die positiven Seiten des Lebens auskosten, Spaß haben, sich ausprobieren und vor allem eines: noch jede Menge Zeit haben.

Frauen dürfen und können sich dagegen nicht bewusst fürs Alleinesein entscheiden. Wer länger alleine ist oder gerade auch einfach alleine sein möchte, mit dem kann irgendwas nicht ganz stimmen. "Sich ausprobieren" und "Spaß haben in der Single-Zeit" wird leider auch heute noch in die Schlampen-Schublade gesteckt und "einfach noch nicht den Richtigen gefunden haben" wird nicht akzeptiert. Dann muss man eben weitersuchen. Hinzu kommt: Die einzige vorgezeichnete Single-Rolle für Frauen ist die der alten Katzen-Lady. Charmant. Lebefrauen und ewige Junggesellinnen wurden leider noch nicht erfunden.

Wir können nur eines tun: Endlich anfangen, unsere eigenen Vorbilder zu sein.

Als ich nun letztens auf einem Familientreffen war, lernte meine Tante meinen neuen Freund kennen. Nachdem sie ihn ausführlich über seinen beruflichen Erfolg, sein zukünftiges Gehalt und einen eventuellen Kinderwunsch ausgefragt hatte, klopfte sie mir vor versammelter Mannschaft auf die Schulter und sagte: "Da hast dir aber jemand G'scheites ausgesucht, der dich später mal versorgen kann".

Im ersten Moment war ich so perplex, dass ich gar nicht wusste, was ich sagen sollte. Im nächsten verstand ich, dass bei all diesen unterschiedlichen Ansichten zwischen denen manchmal nur fünfzehn Jahr liegen, wir nur eines machen können: Endlich anfangen unsere eigenen Vorbilder zu sein – ganz egal, ob wir Single sind oder in einer Beziehung. "Nein", sagte ich genauso laut wie meine Tante, "das Wichtigste ist, dass ich es geschafft habe, dass ich niemanden brauche, der mich versorgt."

Zurück zur Startseite