Kleine, geile Firmen #20 – Designermode für Frauen von holyGhost

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Vielleicht seid ihr auch schon an dem schönen Shop von Jelena und Sedina im Glockenbachviertel vorbeigelaufen. Die beiden Münchnerinnen haben schon seit sieben Jahren ihr eigenes Label: holyGhost, gerade haben sie sich umbenannt in MYKKE HOFMANN. Vor allem wegen einem jahrelangen Rechtsstreit, aber auch, weil der verspielte Name nicht mehr zu dem mittlerweile erwachsenen Unternehmen passt. Im letzten Jahr kam nämlich nicht nur der Laden hinzu, sondern auch eine eigene Produktionsstätte in Serbien.

Im Gegensatz zu anderen kleinen, geilen Firmen haben die beiden schon jede Menge Erfahrung in den letzten Jahren gesammelt, ein kleines Team von sieben Leuten um sich herum beschäftigt – unter anderem auch den Schneider Assad, der sich um Musterstücke kümmert und über ein Flüchtlingsprogramm zu holyGhost kam. Ihre Mode hat sich in den letzten Jahren natürlich verändert, ihr Konzept dagegen kaum: Die beiden möchten hochwertige, nachhaltige und lässig elegante Kleidung für selbstbewusste Frauen machen. Und das gelingt ihnen ziemlich gut.

Sedina und Jelena, seit wann macht ihr beiden schon Mode?

Sedina: Die Idee für unser Label gibt es seit 2009, ein Jahr später fand dann unsere erste Show am Maxmiliansplatz statt, in der wir unser Kollektion vorgestellt haben. Wir  kennen uns noch von der Schule, waren beide auf dem Dante-Gymnasium.

Sieben Jahre sind viel für ein kleines Label. Wie war die Zeit für euch?

Jelena: Der Anfang war natürlich sehr euphorisch, wir haben uns direkt nach der Uni da reingestürzt, – ich habe BWL studiert und Sedina Modedesign – aber viele Dinge lernt man eben nicht in einer Vorlesung. Deshalb haben wir die ersten zwei Jahre auch erst einmal für unsere Produktentwicklung gebraucht, bis wir dann sagen konnten: Das ist unsere erste Kollektion mit einem richtigen Konzept dahinter.

In dieser Zeit gab es natürlich, wie bei jedem Start-Up, Höhen und Tiefen, so ist das bis heute und generell sowieso in unserer Branche. Ich habe mal eine Studie gelesen, in der hieß es, dass ein Modeunternehmen zehn Jahre braucht, bis es wirklich stabil ist.

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Viele Dinge lernt man eben nicht in einer Vorlesung. Deshalb haben wir die ersten zwei Jahre auch erst einmal für unsere Produktentwicklung gebraucht.

Wenn ihr euch eure erste Kollektion heute anschaut, stellt ihr dann Unterschiede fest?

Jelena: Auf jeden Fall! Unsere allererste Kollektion für die Show am Maximiliansplatz war zwar total cool, aber teilweise untragbar (lacht). Aber von der ersten Verkaufskollektion aus dem Sommer 2012 haben wir alle noch ein Kleid im Schrank hängen und tragen es auch immer noch – einfach, weil es das beste Kleid ist, das wir abgeändert auch immer wieder in der Kollektion haben. Das Modell heißt Lorena und ist ein Maxikleid mit einem weiten Rock und einer Taillierung. Das Erste war in einem satten Smaragd-Ton – wunderschön!

Wie arbeitet man eigentlich so als Modedesignerin?

Sedina: Wie jedes Modelabel haben wir einen Kick Off und einen Saisonstart – das heißt, wir fangen mit unserer Recherche und der Ideenfindung an. Es ist mit all den Terminen also weniger "Ach, heute hätte ich irgendwie Lust auf ein schönes Kleid", sondern man muss schon ein bisschen kommerzieller denken. Am Anfang war das natürlich noch alles eher romantisch.

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Man stellt sich das immer so romantisch vor, eine Kollektion zu machen, aber im Endeffekt ist es ein Produkt, das funktionieren muss.

Jelena: Obwohl wir noch klein sind, sind wir ein Unternehmen. Nicht mehr nur zwei Designerinnen, die in ihrem Atelier sitzen, sondern wir haben Mitarbeiter, eine fixe Timeline. Wir haben Abgaben, ein Personalmanagement und dann die Buchhaltung. Sedina ist noch mehr im kreativen Bereich als ich, aber letztendlich sind wir beide einfach sehr viel im Büro und arbeiten am Computer.

Man stellt sich das immer so romantisch vor, eine Kollektion zu machen, aber im Endeffekt ist es ein Produkt, das funktionieren muss. Man macht es dann noch so spannend, wie man darf, aber auch so, dass man es verkaufen kann. Dieser Spagat ist zumindest bei uns sehr wichtig. Es gibt sicher auch Labels, die nur auf ihr Design setzen, aber das ist eher die Minderheit.

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Wie sucht ihr eure Stoffe aus und was tragt ihr selbst am liebsten?

Sedina: Wir gehen auf die Stoffmesse und suchen uns je nach Thema die passenden Muster zusammen. Ich trage am liebsten Seide, außerdem Kaschmir und Wollgemische. Die Haptik ist das Wichtigste, zudem achten wir darauf, dass unsere Stoffe aus Europa kommen.

Jelena: Ich trage im Sommer am liebsten Baumwolle, im Winter Samt! Was ich aber die letzten Jahre gelernt habe, ist dass die Zusammensetzung von einem Stoff eigentlich weniger wichtig ist als die Art der Verarbeitung. Ich hatte immer ein Problem mit Polyester, aber es gibt auch wahnsinnig guten Polyester, der vor allem in der Produktion besser ist als Viskose. Bei Viskose wird sehr viel Wasser verbraucht.

Wo produziert ihr eure Kollektionen?

Jelena: Wir haben seit diesem Jahr eine eigene Produktionsstätte in Serbien. Fernost war für uns nie ein Thema. Nicht nur, weil wir so nachhaltig wie möglich agieren und deshalb auf lange Transportwege verzichten wollen, sondern auch weil uns enger Kontakt und Arbeitsbedingungen wichtig sind. Serbien als Standort ist für uns perfekt, weil ich selbst aus Belgrad komme, viele gute Kontakte habe und sowieso immer wieder dort bin.

In Fernost zu produzieren war für uns nie ein Thema.
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Osteuropa als Produktionsstandort ist immer noch unterschätzt, wird aber immer beliebter bei Labels, die nachhaltiger produzieren wollen. Serbien hat eine langjährige Textiltradition, vor dem Krieg gab es hier noch große Firmen, die für Hugo Boss bis Escada gearbeitet haben. Langsam kommt das wieder. Das Gehaltsniveau dort ist immer noch niedrig, aber im Vergleich zu anderen Ländern mit einem Mindestlohn geregelt – und es steht auch im Verhältnis mit den dortigen Lebenshaltungskosten. Zudem ist die Produktion dort sehr transparent.

Sedina: Wir bieten den Frauen dort eine faire Bezahlung und ein schönes Arbeitsumfeld. Zugleich können wir die Qualität besser beurteilen, wir sprechen die Sprache, sind schnell dort und die Mentalität ist dieselbe.

Osteuropa als Produktionsstätte ist immer noch unterschätzt, wird aber immer beliebter bei Labels, die nachhaltiger produzieren wollen.

Ihr habt eben den Namen eures Labels geändert – warum?

Jelena: Wir haben schon länger einen Rechtsstreit am laufen – 2014 haben wir den Namen holyGhost leider zu spät angemeldet, ein anderes Label war einen Monat schneller. Es kann auch immer noch sein, dass es gut ausgeht, dann dürfen wir holyGhost behalten, unsere Firma heißt nach wie vor so.

Sedina: Das Label heißt jetzt nicht mehr holyGhost, sondern MYKKE HOFMANN. Eine Mischung aus meinem Spitznamen Mykke und Jelenas Nachnamen – weil ich der kreative Kopf aber auch der wilde, rebellische Charakter bin. Jelena war dagegen schon immer der Kopfmensch, die rationale, die Einfühlsame und Ruhige. Da passt dann der Nachname besser.

Ihr seid befreundet, wie ist es so eng zusammenzuarbeiten?

Sedina: Das ist ja schon ein bisschen klischeehaft, – zwei Freunde gründen ein Label – aber so ist bei uns halt wirklich (lacht). Natürlich erfordert es viel Arbeit und Diplomatie untereinander. Wir zwei sind auch sehr verschieden, Jelena ist eher der Kopfmensch, ich der Bauchmensch. Wir ergänzen uns da ganz gut. Und in jeder Kollektion gibt es Teile, die ich total liebe und andere, die nur Jelena tragen würde.

In jeder Kollektion gibt es Teile, die ich total liebe und andere, die nur Jelena tragen würde.

Wer ist eure typische Kundin?

Jelena: Eine erwachsene, aber junggebliebene Frau, die stilbewusst ist, sich gerne modisch kleidet, aber eher schlicht und alltagstauglich. Unsere Kundin kann also auch eine tolle 60-Jährige sein, die einfach Wert auf ihre Kleidung legt. Frauen in Deutschland sind da ja oft zu unsicher, kaufen am liebsten schwarz, grau und schlicht. Viele tolle Produkte gibt es hier gar nicht, weil die Frauen nicht selbstbewusst genug sind. Das ist schade.

Zudem wird hier oft auch nicht so viel Wert auf die Qualität von Kleidung gelegt. Das verstehe ich nicht, denn du ziehst dir ja sowieso etwas an – also, wenn du dich schon kleidest, warum dann nicht in Klamotten, die von guter Qualität sind? Das fängt in Deutschland aber schon bei anderen Dingen wie Essen an. Man legt so wenig Wert auf so wichtige Dinge des Lebens. Aber, um zu deiner Frage zurückzukommen: Die Frau, die zu uns in den Laden kommt, muss nicht zwingend immer viel kaufen. Uns ist es wichtiger, dass sie immer wieder kommt und bei uns ihre Lieblingsteile findet.  Nachhaltig also in diesem Sinne, dass die Kundin lange etwas von ihrem Produkt hat.

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holyGhost | Fraunhoferstraße 11, 80469 München | Montag – Freitag: 10.00–18.00 Uhr, Samstag: 10.00–16.00 Uhr | Mehr Infos

München legt gern selbst Hand an. Fast jede Woche gründet sich hier eine neue Firma, wird ein neues Label vorgestellt oder neues Produkt lanciert. Wir stellen euch die kleinen, geilen Firmen der Stadt vor. Die Bedingungen sind simpel. Klein müssen sie sein, das heißt weniger als zehn Mitarbeiter und natürlich: Geil.

Dieser Beitrag ist in Zusammenarbeit mit holyGhost entstanden.

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