Warum man in München keinen Führerschein braucht

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Meine zwei besten Freundinnen kommen aus Erding. Für sie war klar – mit 17 zur Fahrschule, am 18. Geburtstag den Führerschein abholen und endlich die große Freiheit auskosten. Endlich hinfahren wann und wohin man wollte. Endlich holen einen nicht mehr die Eltern von der Hausparty ab, endlich kann man sich mit Freunden auf dem Mc Donalds-Parkplatz im nächsten Dorf treffen.

Für mich fing die große Freiheit schon ein bisschen früher an, nämlich mit meiner ersten Monatskarte. Plötzlich konnte ich hinfahren, wohin ich wollte, studierte den U-Bahn-Plan, konnte die Fahrzeiten von sämtlichen Buslinien auswendig und wusste, wie ich am schnellsten zum nächsten Mc Donalds komme. Genauso galt es auch Radwege zu erkunden – damals wusste ich, nur ganz knapp mit 14 Fehlern durch die Fahrradprüfung gekommen, noch nicht, wie ich vom Kieferngarten nach Moosach radel. Und dass ich das am besten nicht auf der Autobahn machen sollte.

Endlich holen einen nicht mehr die Eltern von der Hausparty ab, endlich kann man sich mit Freunden auf dem Mc Donalds-Parkplatz im nächsten Dorf treffen.

Lernt und überlebt man alles und ich muss sagen, dass ich bis heute ziemlich glücklich bin so ganz ohne Führerschein. Nicht nur, dass ich sämtliche Rad- und Buswege im Kopf habe, ich wurde auch nie so faul, dass ich diese nicht mehr benutze. Für meine Eltern, die immer ein Auto hatten, grenzt es an Körperverletzung, wenn sie morgens mit der U-Bahn zum Hauptbahnhof fahren oder nach dem lustigen Abend beim Griechen zur nächsten Haltestelle laufen müssen. Ich hatte es nie anders – und darum bin ich fast ein bisschen froh.

Mittlerweile versuche ich auch öffentliche Verkehrsmittel so wenig wie möglich zu nutzen und mache fast alles zu Fuß – in die Arbeit, ins nächste Viertel, samstags zum Marienplatz. Alle beschweren sich darüber, dass München so klein ist – ich finds total gut, denn ich bin in 20 Minuten überall. Bis ich da in ein Auto einsteige, dank Einbahnstraße ein Mal um den Block fahre, um schließlich einen der wenigen Parkplätze zu finden, um an einem der vielen Parkautomaten sechs Euro einwerfe, sind auch 20 Minuten vergangen.

Alle beschweren sich darüber, dass München so klein ist – ich finds total gut, denn ich bin in 20 Minuten überall. Auch ohne Auto.

Mir fehlt es an nichts, auch nicht an einer weiteren Plastikkarte, die nutzlos im Geldbeutel steckt. So ist es nämlich bei meinen Freundinnen aus Erding, die jetzt in München wohnen – alle haben sie einen Führerschein und keine braucht ihn. Ein Auto leihen, um zu Ikea zu fahren ist schlichtweg zu teuer und für einen Ausflug ins Umland, für den ein Auto dann mal wirklich sinnvoll wäre, braucht man auch eher nicht mit Drive Now anfangen.

Generation-Y-Experten munkeln ja, dass das Auto einfach kein Statussymbol mehr für junge Leute ist. Man kann es sich eher einfach nicht mehr leisten. Beziehungsweise: Ich will es mir auch gar nicht leisten. Das Geld, das normalerweise in Autoversicherung, Werkstätten und Benzin fließt, stecke ich lieber in Restaurants, meinen Kleiderschrank und Urlaube. Und das fängt schon beim Führerschein an. Ich zahle ja auch keinen Tausender für ein Kleid, das ich nie anziehe. Oder für einen Urlaub, in den ich nicht fahren kann.

Ein eigenes Auto war für mich so sehr nie Thema, dass ich manchmal bei dem Gedanken erschrecke, dass dieser schöne, alte Mercedes vor unserer Bürotüre auch mir gehören könnte.

Ein eigenes Auto war für mich so sehr nie Thema, dass ich manchmal bei dem Gedanken erschrecke, dass dieser schöne, alte Mercedes vor unserer Bürotüre auch mir gehören könnte. Die Vorstellung scheint mir fremd, einfach, weil ich die Möglichkeit nie durchgespielt oder das große Verlangen danach hatte. Es ist ein bisschen, wie wenn man jemanden, der nie Fleisch gegessen hat, in die Welt von Hackfleisch, Speck und Steak mitnimmt. Voll lecker, aber muss halt auch nicht sein.

Meine Großeltern schlagen bis heute die Hände über dem Kopf zusammen, wenn sie nachfragen und ich immer noch keinen Führerschein gemacht habe. Meine Tante erkundigt sich immer wieder unsicher danach, wie mein Leben ohne den heiligen Schein denn so ist. Ob ich klar komme. Es ist super und ich hab auch nicht vor, dass jemals zu ändern. Und da muss mir auch niemand mit dem Kinder-Argument kommen. Kinder kann man nämlich auch prima in einen Fahrradsitz packen. Vorausgesetzt man wohnt halt nicht in Erding.

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