Kleine, geile Firmen #15 – Postkarten von Striezi
Striezi – ein wahrlich fabelhaftes bayerisches Wort. Der Striezi steht für ein Lebensgefühl, für freundliche Dreistigkeit und die Gabe das Leben nicht zu ernst zu nehmen, sowie sich selbst mal auf die Schippe nehmen zu können. Für all diejenigen die nicht aus München kommen und dem bayerischen Dialekt noch nicht ganz so Herr sind, eine kurze Worterklärung. Eine direkte Übersetzung des Begriffes Striezi gibt es eigentlich nicht, am ehesten trifft es wohl Folgendes: Ein Striezi ist mehr oder weniger ein erwachsener Lausbub, ein gutmütiges Schlitzohr und Grenzgänger, dem man aufgrund seiner charmanten Art die ein oder andere Frechheit einfach verzeihen muss.
Leider gibt es kein weibliches Pendant dazu, sonst hätten die Gründerinnen Christina und Angie vielleicht auch einen anderen Namen für ihr Label gewählt. Die „Matz“ ist ihnen noch eingefallen und das „Lausderndl“ oder „Zuckerschneckerl“, das ist aber entweder zu lieblich oder zu negativ behaftet. Es gibt ja unendlich viele bayerische Begriffe und Redensweisen, die heute in München und Umgebung kaum noch einer benutzt oder weiß was diese bedeuten könnten. Angie und Christina greifen viel von diesem bayerischen Brauchtum auf ihren Post- und Grußkarten wieder auf und interpretieren das neu und unkonventionell, mit einem leichten Hang zum Kitsch: Glitzer darf auf keiner ihrer einzigartigen Post- und Grußkarten fehlen.
Woher kommt euer starker Bezug zu Bayern, wie seid ihr auf die Idee gekommen daraus Post- und Grußkarten zu machen?
Angie: Wir sind ja beide im Münchner Süden geboren und aufgewachsen, kommen aus Haidhausen und dem Lehel und können sozusagen schon auf einen Münchner Stammbaum zurückblicken. Christina designt schon seit vielen Jahren ausgefallene und sehr edle Dirndl, hatte also in ihrer Arbeit schon immer einen Bezug zum bayerischen Brauchtum.
Uns ist die Thematik mehr oder weniger zugeflogen. Irgendwann ist uns aufgefallen, dass es eigentlich keine ansehnlichen Postkarten gibt, welche Bayern adäquat darstellen. Wir sind beide Grafikdesignerinnen und haben schnell erkannt, dass da nach oben hin noch Luft für ein schönes Produkt ist.
Es gibt ja sehr viele schöne alte Fotos oder alte Illustrationen zu Bayern. Die nehmen wir auch als Grundlage und bauen sie aus. Das ist teilweise eine Schatzssuche und wir haben Vorlagen, die über 100 Jahre alt sind. Heutzutage ist davon natürlich viel in Vergessenheit geraten und manche Motive kann man so gar nicht mehr hernehmen. Also schaffen wir etwas Neues und sehr Phantasievolles, das man auch ruhig als Kitsch bezeichnen kann. Kitsch gehört für uns auch zu Bayern.
Das ist heute halt völlige political incorrectness und dem Kind zum Einschlafen einen „Biernuckel“ geben, macht auch keiner mehr. Früher war das in Bayern und in München ganz normal.
Auf was für vergessene Dinge seid ihr denn da gestoßen?
Christina: Da war viel Heftiges und Groteskes mit dabei. Motive und Sprüche, die man so heutzutage gar nicht mehr anwenden könnte ohne nicht eine Abmahnung nach der nächsten zu bekommen. Das ist teilweise anzüglich, das geht unter die Gürtellinie, das ist unverschämt und sexistisch. Zum Beispiel solche Themen wie Kinder und Alkohol, früher gab es durchaus Motive und Illustrationen von Babies mit Maßkrügen in der Hand, was heute für heftige Diskussionen sorgen kann.
Wir hatten auch mal ein Kartenmotiv im Sortiment, auf dem man als Zeichnung ein Kleinkind mit einem Maßkrug in der Hand sieht. Das ist dann tatsächlich auch nicht so gut bei den Kunden angekommen. Das ist heute halt völlige political incorrectness und dem Kind zum Einschlafen einen „Biernuckel“ (Schnuller, in Bier getränkt) geben, macht auch keiner mehr. Früher war das in Bayern und in München ganz normal.
Wer macht denn bei euch was?
Christina: Angie illustriert unsere Karten und ist für das komplette Design der Firma zuständig, also Corporate Design und unsere Website, der kreative Part sozusagen. Ich kümmere mich um die Bildrecherche, um den Back-Up, um die Verwaltung und um unseren Außendienst. Außerdem designe ich maßgeschneiderte Dirndl, die man bei uns in der Sedanstraße kaufen kann.
Angie: Wir kennen uns ja aus dem Studium und haben auch schon in den 90ern zusammen gearbeitet. Christina hat eben schon lange ihre Dirndl gemacht und ich habe als Grafikdesignerin gearbeitet und dann kam die Idee, dass wir uns wieder zusammenschließen könnten, weil so ein Projekt alleine auch fast nicht zu stemmen ist.
Wo kann man eure Gruß- und Postkarten denn überall kaufen?
Christina: Hier in München in vielen verschiedenen Läden, die man auf unserer Internetseite einsehen kann, mittlerweile sogar in Aalen. Wobei das eher die Ausnahme ist. Striezi ist einfach ein regionales Produkt und das stellen wir auch immer wieder fest. Manchmal gibt es ein leichtes Aufbäumen unsererseits, weil wir denken, wir können uns doch wo anders etablieren, aber wir werden da relativ bald auch wieder ausgebremst.
Wir sind dafür dann zu speziell, es ist eben ein Nischenprodukt, auch auf die Region Bayern zugeschnitten. Es gibt natürlich auch Exil-Bayern, die es dann woanders hin verschlagen hat – wir haben beispielsweise auch einen Kunden in Hamburg, aber das ist dann doch eher die Ausnahme von der Regel. Wir sind einfach in München und an der großen Seenregion geballt, da funktionieren unser Karten am besten. Das liegt wohl auch einfach am Dialekt und an den Trachten.
Bayern hat ja im Rest Deutschlands beträchtliche Image-Probleme, könnt ihr euch erklären woran das liegt?
Christina: Die Region hat ja eigentlich wahnsinnig viel zu bieten – tolle Landschaften, Berge, Seen, viele Firmen haben hier ihren Sitz. Es gibt genug Arbeitsmöglichkeiten, man kann wenn man es darauf anlegt, einen Haufen Geld verdienen, man bekommt eine gute Ausbildung. Das Ganze kann dann in zwei Richtungen gehen: Einerseits die Haltung der Bayern „Wir sind besser als die Anderen“ oder aber Neid aus der anderen Richtung. Man kann das wohl als eine Art Hass-Liebe beschreiben.
Angie: Obwohl diese Art von Wohlstand in Bayern ja auch nicht immer selbstverständlich war. Die Mentalität eher ein eigenes Süppchen zu kochen, beispielsweise auch in der Politik, gab es aber schon vorher. Die Bayern oder auch die Münchner sondern sich teilweise auch gerne selber ab und eine gewisse Selbstgefälligkeit gibt es schon auch.
München ist ein Lebensgefühl. Und das versuchen wir auch durch unsere Karten zu transportieren.
Begreift ihr euch denn selbst als richtige Bayerinnen oder Münchnerinnen?
Angie: Also ich zum Beispiel nicht. Ich bin hier schon daheim und ich fühle mich zu Hause, also insofern bin ich Bayer, aber ich war auch sehr viel weg und habe eine Zeit lang im Ausland gelebt. Da unterscheiden wir uns auch, weil Christina München relativ treu geblieben ist und haben andere Perspektiven, treffen uns aber witzigerweise wieder beim Daheim-Gefühl.
Christina: Ja ich würde schon auch sagen, ich bin mit München noch mehr verbunden. Die Bindung an die Stadt war so stark ausgeprägt, dass ich nie wirklich weggekommen bin. Das heißt natürlich nicht, dass mein größter Ausflug nur zum Starnberger See gegangen ist. Aber immer wenn ich länger weg war, habe ich München sehr vermisst.
Und was daran? Ist das dann nur die Gewohnheit?
Christina: Letztendlich ein Lebensgefühl. Und das versuchen wir auch durch unsere Karten zu transportieren.
München legt gern selbst Hand an. Fast jede Woche gründet sich hier eine neue Firma, wird ein neues Label vorgestellt oder neues Produkt lanciert. Wir stellen euch die kleinen, geilen Firmen der Stadt vor. Die Bedingungen sind simpel. Klein müssen sie sein, das heißt weniger als zehn Mitarbeiter und natürlich: Geil.