Ich kann den Sommer noch nicht loslassen

© Unsplash | Jason Blackeye

Und ich will ihn auch nicht loslassen. Dieser Sommer war so kurz, viel zu kurz, er ist auf der linken Spur vorbeigebraust, manchmal hat er rechtzeitig gehupt, dann konnte man noch aufspringen und zwei Tage mitfahren, dann gab es am Abend ein Gewitter, und dann war er wieder weg.

Die Sache ist die, dass meine Erwartungen an den Sommer immens hoch waren dieses Jahr, ungefähr drei Eisballen hoch, denn im April – manch einer mag sich erinnern – hat es noch mal ordentlich geschneit. Ich erwartete ihn sehnsüchtig und dann kam er und schien selbst etwas überfordert. Auf zwei richtig heiße Tage folgte ein Gewitter und die Temperaturen stürzten in den Keller – mit ihnen meine Laune.

Auf zwei richtig heiße Tage folgte ein Gewitter und die Temperaturen stürzten in den Keller – mit ihnen meine Laune.

Aber wie schön waren sie, die paar Tage Sommer, die sich über die Stadt gelegt haben. Sommer auf Capri, meiner Lieblingsbar im August, einer Pop-Up-Location am Olympiasee. Zwei Mal saß ich hier am Wasser, mit einem eiskalten Rosé in der Hand und habe kitschige Fotos von einem sich pink verfärbenden Himmel geknipst.

Mehrmals lag ich im Gras vom Naturbad Maria Einsiedel, habe endlich mal wieder ein gutes Buch gelesen, Freibadpommes gegessen (denn nirgendwo schmecken Pommes so gut wie im Schwimmbad), Eiskaffee getrunken, bin ins kalte Wasser gesprungen und am Ende des Tages ganz arg glücklich in den Sonnenuntergang geradelt.

Und jetzt, wo der meteorologische Herbstanfang längst begonnen hat, erzählen mir Freunde, dass sie sich einen neuen Kuschelpulli zugelegt haben und sich auf die Jahreszeit freuen, in der man bei einer Tasse Kakao im Café sitzt, durch bunt verfärbtes Laub spazieren geht (und dabei instagramtaugliche Fotos schießt) oder kein schlechtes Gewissen haben braucht, den Abend auf dem Sofa mit Netflix zu verbringen. Da schüttele ich den Kopf und rufe höchst verzweifelt: Aber dafür haben wir doch noch Zeit bis Ende April. April 2018! Hallo?

Der Sommer ist eine sagenhafte Erinnerung an das schöne und freie und glückliche Leben da draußen, in dem man plötzlich mittendrin steht, wenn es warm ist.

Wenn ich das Wort Sommer höre, schwelge ich sofort in den allerschönsten Kindheitserinnerungen. Sommer, in denen ich mit meinem Cousin ein Baumhaus baute, den ganzen, wirklich ganzen Tag draußen verbrachte, mit aufgeschlagenen Knien nach Hause kam, und an einem Tag, an dem es regnete, traurig vor dem Fenster saß, den Geruch von Sonnenmilch in der Nase.

Ja, in dieser Übergangszeit zwischen Sommer und Herbst werde ich immer sehr nostalgisch. Denke zurück an meine Kindheit auf dem Land, an die Scheune meiner Oma und den Geruch des Strohs darin, an verfaultes Obst, und dann schmecke ich auch die Wassermelone auf der Zunge. Auch wenn das alles längst nicht mehr so ist, ist Sommer genau das für mich: Viel mehr als nur Wetter. Einfach, weil er so selten vorbeikommt. Er ist eine sagenhafte Erinnerung an das schöne und freie und glückliche Leben da draußen, in dem man plötzlich mittendrin steht, wenn es warm ist. Deshalb will ich ihn noch nicht gehen sehen, auch wenn ich längst nicht mehr auf Bäumen herumklettere.

Seit dem ersten September ist es nun so kalt, dass auch ich meinen Lieblingspulli von ganz hinten im Schrank hervorgeholt habe. Trotzdem hoffe ich noch immer auf eine Rückkehr, lieber Sommer. Wenn das nicht geht, freue ich mich auf den goldenen Herbst, der doch eigentlich immer pünktlich zur Wiesn Einzug hält. Und die fängt ja glücklicherweise bereits am Samstag an.

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