Das München-ABC: Y wie Yuppies
München ist wahnsinnig schön – und manchmal auch ein bisschen langweilig, spießig und streng. Zu sauber und zu geregelt.Wenn dir auch jedes Mal auf der Isar-Brücke die Knie weich werden und dich aber nichts mehr aufregt als unsere Öffnungszeiten, Tanzverbote und Mutlosigkeit, dann bist du hier genau richtig. In unserem ABC schreiben wir auf, was wir an dieser Stadt unendlich gut, aber auch ziemlich beschissen finden. Diesmal: über Yuppies.
Ich muss gestehen, ich wusste vor diesem Artikel nicht, was Yuppies eigentlich sind – doch, seitdem ich die Definition gegoogelt habe, weiß ich: Meine Nachbarn sind es. Warum? Nun ja, zuerst einmal wohnen sie in der größten, renoviertesten und dementsprechend wahrscheinlich auch teuersten Wohnung im Haus. Sie reden kaum, der Typ ist an seiner Laptoptasche (Business!) und dem Longboard (junggeblieben!) zu erkennen. Und daran, dass er nie Hallo sagt – oder vielleicht versteht er "Servus" auch einfach nicht.
Und genauso kann man sich wahrscheinlich auch ihre Wohnung und ihr Leben vorstellen: Beige.
Ansonsten bewegen sie sich gerne mit unheimlich teuren Radln fort, die wahlweise anhand einer Weinkiste – oder in diesem Fall einem Fritz-Kola-Kasten – ein bisschen mehr down to earth sind. Downgegraded sozusagen. Damit nicht ganz so schnell auffällt, wie scheißeteuer diese Radln sind. Mindestens so teuer wie eine ihrer Monatsmieten. Apropos: Vor ihrer teurer Wohnung liegt ein Fußabstreifer in modernem Grau-Beige mit einer Sternform darauf. Skandinavischer Chic. Und genauso kann man sich wahrscheinlich auch ihre Wohnung und ihr Leben vorstellen: Beige.
Nun könnte man denken: reich, viel in Bewegung und Ahnung von Einrichtung – das müssen nette Leute sein. Leider nicht. Denn erst letzte Woche hatte ich das Vergnügen nun auch endlich die Yuppie-Frau kennenlernen zu dürfen. Während sie an der gläsernen Haustüre gelehnt telefonierte, musste ich rein. Als sie mich sah, ging sie höflich aus dem Weg, aber auf die Idee, mir die Haustüre aufzumachen, kam sie leider nicht. Ich finde das schön, dass mit den vielen Neureichen, die nach München kommen, auch der Zusammenhalt so wächst. Jeder schaut auf den Anderen, während der vollbepackt versucht, seinen Haustürschlüssel in der Handtasche zu finden. Und telefoniert weiter.
Und plötzlich bekam ich Angst, dass meine Nachbarn mich auch für einen Yuppie halten.
Um es kurz zu machen: Ich mag sie nicht, ich werde nicht warm mit den Yuppies. Letztens wurde mir zudem klar, dass sie sich bei keinem Hoffest sehen lassen. Dann fiel mir auf: Ich ja auch nicht. Und plötzlich bekam ich Angst, dass meine Nachbarn mich auch für einen Yuppie halten. Die mit dem Medienjob, den vielen Paketen auf denen "Mit Vergnügen" draufsteht, die mit dem goldenen Rennrad und der nicht frisch, aber auch ziemlich neu renovierten Wohnung. Oh Gott, vielleicht liegt das Yuppie-Dasein auch im Auge des Betrachters und nicht bei einer blöden Internet-Definition.
Seitdem ich diesen Gedanken hatte, achte ich nun immer besonders darauf, dass ich Türen aufhalte, freundliche grüße und helfe, wenn jemand etwas braucht im Haus. Nächsten Sommer möchte ich außerdem zum Hoffest. Seitdem ich weiß, was ein Yuppie ist, tue ich nun alles dafür, keiner zu sein.