Alles wie immer: Meine Zeitreise ins Café Kosmos
In Print-Zeitschriften gehört es dazu, dass der Herausgeber auf der ersten Seite die Stimmung, Meinung oder Richtung der jeweiligen Ausgabe einfängt. Warum gibt es das auch nicht online?, haben wir uns gefragt. Denn genauso schwirren jede Woche Gefühle, Stimmungen und Meinungen durch München, die wir zwar mitbekommen, aber nirgends festhalten. In dieser Kolumne ist Platz, um all meine Gedanken zu München und dem, was mir in der Stadt begegnet ist, zu sammeln. Heute: Manche Orte bleiben für immer gleich – auch, wenn man sich selbst weiterentwickelt.
Vorletzten Samstag war ich mit einer alten Freundin, die mittlerweile gar nicht mehr in München wohnt, im Café Kosmos verabredet. Wir beide waren früher immer zusammen hier – und wenn ich schreibe immer, meine ich wirklich immer. Doch nachdem sie vor ungefähr sieben Jahren wegzog, löste sich das magische Kosmos-Gespann und ich ging nicht mehr hin. Kann aber auch sein, dass ich einfach zu alt und damit zu ungeduldig fürs Kosmos wurde, denn wenn man hier eines braucht, während man sich eine halbe Stunde zur Bar durchkämpft und Fremde einem auf die Füße steigen, dann ist es auf jeden Fall Geduld.
Es war, als hätte man mal eben im Zeitraffer vorgespult und wir säßen sieben Jahre später immer noch am selben Tisch. Mit ein paar Falten mehr und ein bisschen weniger Geduld halt.
A. saß schon drin, als ich um die Ecke bog. Wie immer standen schon zwei Astra auf dem kleinen Tischchen. Und wie immer kosteten die zusammen nur 3,20 Euro. Die Preise waren die selben, die Möbel, die Tapete, die Beleuchtung, die Getränke, irgendwie auch die Leute, ja selbst die Barkeeper waren die selben. Es war, als wäre zwischendurch einfach die Zeit stehengeblieben – oder als hätte man mal eben im Zeitraffer vorgespult und wir säßen sieben Jahre später immer noch am selben Tisch. Mit ein paar Falten mehr und ein bisschen weniger Geduld halt.
Während meine Freundin irgendwie erleichtert schien – so nach dem Motto: Bleibt sowieso alles gleich in München, hatte ich einen komischen Moment. Ich wusste nicht genau, wie ich das jetzt finden sollte. Ich fühlte mich ab dem Moment, in dem ich zur Tür reingekommen war, wahnsinnig alt, guckte melancholisch in den Raum, weil 1874 Erinnerungen hier an den Wänden hingen, lächelte die Barkeeper etwas verlegen an, aber so wie ein Stammgast, der sich schämt, dass er halt schon wieder da ist. Es gibt Orte, an denen möchte man nicht allzu häufig oder plötzlich nach sieben Jahren wieder gesehen werden – und dazu gehören neben Solarien und anonymen Aids-Beratungsstellen eben irgendwie auch alte Stammkneipen.
Ich glaube, es ist leicht, eine neue Location mit Erinnerungen zu bespielen. Was dagegen gar nicht mal so leicht ist: Nach sieben, fast acht Jahren in die Stammkneipe zurückkehren und gezwungen zu sein, sich erinnern zu müssen.
Doch umso länger ich dort saß und umso mehr Astra-Fläschen vor mir standen, desto ruhiger wurde ich und desto mehr stellte sich auch das altbekannte Gefühl ein. Dieser Ort war immer noch gleich – und ich war es zwar nicht, doch das war okay. Aber ich war nun mal gerade hier und das irgendwie auch gerne – und erinnerte mich damit an mein altes Ich. Und das war schön, sobald ich es dann mal annehmen konnte.
Ich glaube, es ist wahnsinnig leicht, eine neue Location mit Erinnerungen zu bespielen, zum ersten Mal oder auch nur ein Mal dort zu sein. Was dagegen gar nicht mal so leicht ist: Nach sieben, fast acht Jahren in die Stammkneipe zurückkehren und gezwungen zu sein, sich erinnern zu müssen. Puh, das kann schon ganz an die Nieren gehen oder je nach Astra-Bestellung dann auf die Leber. So oder so war ich froh für diese kleine und vielleicht längst überfällige Therapie-Sitzung. Jetzt kann ich wieder öfters in Kosmos gehen und diesen Raum vielleicht mit neuen Erinnerungen füllen.