Liebe Münchner, lasst doch mal die Zugezogenen in Ruhe!

In Print-Zeitschriften gehört es dazu, dass der Herausgeber auf der ersten Seite die Stimmung, Meinung oder Richtung der jeweiligen Ausgabe einfängt. Warum gibt es das auch nicht online?, haben wir uns gefragt. Denn genauso schwirren jede Woche Gefühle, Stimmungen und Meinungen durch München, die wir zwar mitbekommen, aber nirgends festhalten. Diese Kolumne ist der Platz, an dem ich all meine Gedanken zu München und dem, was mir diese Woche in der Stadt begegnet ist, sammle. In dieser Folge: Dass ihr schon immer in München lebt, macht euch noch zu keinem besseren Menschen.

Zugezogene, die Plastiktracht tragen, auf "den" Wiesn gehen und München nie wirklich verstehen werden, nerven – ganz klar. Was mich aber noch viel mehr nervt, sind jene Ur-Münchner, mit denen du dich erst unterhalten darfst, wenn du mindestens in der dritten Generation in dieser Stadt lebst. An deren Gesichtsausdruck du schon merkst, wenn du die Frage "Bist du denn überhaupt aus München?" mit "Wohne erst seit sechs Jahren hier!" beantwortest, dass es das leider war und sie dich ab hier garantiert nicht mehr ernst nehmen.

Mir ist das zwar noch nie passiert, ich wohne in der dritten Generation hier (Glück gehabt!), aber Boys and Girls, ich seh' euch doch. Und ich schäme mich ein bisschen. Weil das wirklich die ekelhafteste Art und Weise ist, sich über jemanden zu stellen. Viele meiner engsten Freunde sind nach München zugezogen, andere wohnen seit immer hier. Ist doch auch wurschtegal, ich habe noch nie angefangen zu unterscheiden. Ich kenne jede Menge toller Nicht-Münchner, genauso wie jede Menge Arschloch-Ur-Münchner. So wie euch zum Beispiel.

Dass ihr schon immer in München lebt, macht euch noch zu keinem besseren Menschen. Ich muss eher sagen, ich ziehe den Hut vor den Leuten, die sich trauen, in eine andere Stadt zu gehen. Und wenn sich jemand, der erst seit einem halben Jahr in München lebt, in Großhadern besser auskennt als ich, spiegelt mir das nicht nur meine eigene geographische Beschränktheit wider, sondern ich freue mich auch darüber. Wie schön ist es bitte, dass Menschen hierher kommen, um unsere Stadt zu entdecken?

Das findet ihr ja eher nicht so. Aber warum? Ist es Angst? Niemand wird euch euer München wegnehmen. Ist es Unsicherheit? Ganz bestimmt auch das. Fühlt ihr euch nur in eurem Münchner-Dasein sicher? Ich glaube schon, denn meistens ist es doch so – und jetzt muss ich mal ein bisserl gemein werden – dass genau diese Art von arroganten Ur-Münchnern niemals aus der Stadt wegziehen würden, ganz einfach, weil sie woanders niemand wären. Oder das zumindest denken. Oder zumindest Angst davor haben.

Es ist also ein verdammt Leichtes aus seinem nicht einmal selbst gemachten Nest heraus Andere zu belächeln. Stolz zu sein auf etwas, was man nie anders gemacht hat. Überheblich zu sein aufgrund seiner eigenen Unsicherheit. Also: Seid nett zueinander. Und geht ihr mal weg, kommt ihr mal wieder und dann sehen wir weiter.