Busfahrer-Kolumne #6: Die Busfahrer-Taufe und der Nachwuchs
Busfahrer sind unsichtbar, erzählt uns Julius Klemz, der früher das Café Bald Neu in Untergiesing betrieben hat. Danach hat er sich bei der MVG zum Busfahrer ausbilden lassen, genießt nun die Kontinuität, Sicherheit und den bequemen Fahrersitz des neuen Jobs. Aber natürlich passieren ihm auch immer wieder verrückte, skurrile, traurige und schöne Geschichten. Und die erzählt er von nun an in unserer Busfahrer-Kolumne.
Heute Nacht ist es passiert. Ich wurde in den Münchner Busfahrerstand erhoben – quasi getauft. Nachdem ich eine Fünf-Tage-Woche ohne Unterbrechung hinter mich gebracht habe, in der es ausnahmsweise mal richtig stressig war, schlief ich tief und fest ein, träumte allerhand wirres Zeug, um heute in der Früh, noch im Dämmerschlaf Folgendes zu erleben: Ein Teil meines Bewusstseins war schon wach, der andere wollte oder konnte noch nicht ganz da sein. Ich döste vor mich hin, nicht richtig da, aber auch nicht richtig weg. Ich träumte noch ein wenig, war mir dessen aber auch bewusst.
Ich nahm den Kollegen wahr und hob in meinem Bett, diesmal in der Realität, meine rechte Hand und winkte meiner Decke entgegen.
Und so fuhr ich, wie sollte es anders sein, in meinem leichten Traum, einen blauen Bus. Ich schlängelte mich durch Baustellen, scannte aus jedem Augenwinkel sämtliche Bewegungen am Straßenrand, wertete in meinem Gehirn mögliche Gefahren aus, tat so, als hätte ich einen Smart unter meinem Hintern, beantwortete alle Fragen nach bestem Wissen und Gewissen und selbstverständlich vergaß ich nicht, andere Kollegen durch Handzeichen zu grüßen.
Und da kam mir im Traum ein anderer blauer Bus entgegen. Ich nahm den Kollegen wahr und hob – und ich schwöre bei Gott, dass es so war – in meinem Bett, diesmal in der Realität meine rechte Hand und winkte meiner Decke entgegen. Ich lachte laut auf, da der eine Teil meines Bewusstseins es bemerkt hatte. Nun war ich wach, etwas geschockt, aber dann machte die anfängliche Verwunderung Platz für ein Ehrgefühl. Nun bin ich vollends aufgenommen. Ich darf mich jetzt also voller Stolz „Original Münchner Busfahrer“ schimpfen.
Schon damals war der Busfahrer ein absolutes Faszinosum und auch heute im Jahr 2018 muss sich die MVG wenig Sorgen um ihren Nachwuchs machen.
Geträumt habe ich davon bereits als kleines Kind. Schon damals war der Busfahrer ein absolutes Faszinosum und auch heute im Jahr 2018 muss sich die MVG wenig Sorgen um ihren Nachwuchs machen. Die Kinder beschäftigen sich – man kann es trotz Smartphones & Co. kaum glauben – bei fast jeder meiner Fahrten mit dem Berufswunsch "Busfahrer". Sie erkennen früh, dass das Grüßen von anderen Busfahrer-Kollegen wichtig und das Lenkrad ein spannendes Arbeitsinstrument ist. Erst heute – direkt nach meiner nächtlichen Taufe – saß hinter mir ein Vater mit seinem kleinen Sohn. Der Kleine war sehr aufgeweckt und fragte seinen Vater Löcher in den Bauch.
Alles musste erklärt werden. Begeistert schaute er mir übers Lenkrad, ihm entging nichts. Er stellte fest, dass den Bus ja ein Mann fährt, denn, wenn diesen eine Frau fahren würde, stünde ja auf dem Lenkrad „Frau“. Kurz überlegte ich, schaute auf mein Lenkrad und entdeckte das Logo: “MAN“. Ein Lächeln huschte über mein Gesicht und ich dachte mir: Wäre ja schön, wenn er das auch einmal erlebt – diese Busfahrer-Taufe, bei der man weiß, ich bin genau da, wo ich sein will!