Busfahrer-Kolumne #3: Von Motorsound und blinden Damen

© Marie Lechner

Busfahrer sind unsichtbar, erzählt uns Julius Klemz, der früher das Café Bald Neu in Untergiesing betrieben hat. Danach hat er sich bei der MVG zum Busfahrer ausbilden lassen, genießt nun die Kontinuität, Sicherheit und den bequemen Fahrersitz des neuen Jobs. Aber natürlich passieren ihm auch immer wieder verrückte, skurrile, traurige und schöne Geschichten. Und die erzählt er von nun an in unserer Busfahrer-Kolumne.

Das Leben als Busfahrer ist sterbenslangweilig? Ehrlich gesagt ist es abwechslunsgreicher als man denkt. Im klassischen Bürojob spaziert man jeden Morgen in das gleiche Gebäude – als Busfahrer hingegen weiß man nie, wohin die Reise heute geht. Man sitzt auch nicht täglich im gleichen Bus. Ein bisschen schade, sonst könnte man sich seinen persönlichen Wackeldackel dauerhaft ins Fenster stellen.

Bevor wir in der Früh ausrücken, bekommen wir einen großen Zettel, der uns verrät, in welches Fahrzeug wir steigen müssen. Das ist ganz unabhängig von der Linie oder dem Kurs, den wir fahren. Man sitzt eigentlich nie zweimal hintereinander im gleichen Bus. Immerhin zählt der Fuhrpark der MVG auch 348 Fahrzeuge – fraglich, ob ich da jemals alle durch haben werde.

Und so steige ich jedes mal in das jungfräuliche Fahrzeug, ohne zu wissen, wie oft ich eigentlich schon in genau diesem Bus saß.

In der Halle stehen die Pferde, wie ich sie gerne nenne, sauber aufgereiht und sind dabei kaum voneinander zu unterscheiden. In der Nacht wurden sie von den Rangierern gewaschen und aufgetankt. Und so steige ich jedes mal in das jungfräuliche Fahrzeug, ohne zu wissen, wie oft ich eigentlich schon in genau diesem Bus saß. Gestern war es vielleicht noch der 100er, der die großen Münchner Museen abklappert, morgen ist es womöglich der 52er, der sich schier endlos von Schwabing nach Obersendling schlängelt.

Heute aber bekommt das Fahrzeug die Liniennummer 149 und ich starte Richtung Zamilapark. An der Station sitzt eine blinde Frau im Bushäusl. Ich fahre die Haltestelle so an, dass ich mit meiner vorderen Türe direkt vor ihr zum Stehen komme. Ich öffne diese und rufe ihr laut einen „Guten Morgen“ zu. Sie grüßt zurück und fragt mich nach der Busnummer. Ich antworte ihr, ich sei der 149er.

In Filmen zeigen die Busfahrer dann immer auf das Schild, auf dem steht: "Bitte während der Fahrt nicht mit dem Busfahrer sprechen."

„Den brauche ich“, meint sie und steigt ein. Sie lässt sich im Viererabteil hinter mir nieder und beginnt ein freundliches Gespräch. In Filmen zeigen die Busfahrer dann immer auf das Schild, auf dem steht: "Bitte während der Fahrt nicht mit dem Busfahrer sprechen". Ist natürlich Schmarrn, aber selbst wenn es dieses Schild gäbe, wäre das in dieser Szene eher nutzlos.

"Den 191er erkenne ich ja mittlerweile am Motorengeräusch.", erzählt die Dame stolz. Sie sei sich schon fast sicher gewesen, dass ich der 149er sein müsse, aber habe zur Sicherheit lieber noch mal nachgefragt. Ich muss schmunzeln und frage sie, woran genau sie das denn unterscheiden könne. "Der klingt irgendwie dumpfer der 191er, vom Motor her." Ich bin sehr gerührt, überlege kurz sie aufzuklären, entscheide mich aber dagegen, lasse sie in dem Glauben, dass der 191er seinen ganz persönlichen Sound hat und höre seitdem immer ein bisschen genauer hin, wenn ich den Motor anlasse.

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