Von Neukölln nach Untergiesing: Faszination KVR

© Anna Rupprecht

Spätestens, als unsere Autorin Johanna aus Neukölln mit dem Transporter in die neue Straße in Giesing einbiegt, ist ihr klar: Das hier wird anders. In ihrer Kolumne "Von Neukölln nach Untergiesing" schreibt sie nun jede Woche auf, wie sie München kennenlernt und welche Unterschiede ihr besonders auffallen. Was sie liebt (den V-Markt!), was sie hasst (kein günstiges Schawarma hier!) und warum München manchmal doch gar nicht so anders ist als Berlin.

Ich weiß nicht genau, wie ich es geschafft habe, aber erst nach knappen zehn Monaten in München betrat ich vor ein paar Tagen das erste Mal das KVR. Einige Mythen über das Kreisverwaltungsreferat hatte ich schon gehört, aber die Welt, die sich auftat, als ich das Gebäude zum ersten Mal leibhaftg betrat, stand in keinerlei Relation.

Erschlagen von den Dimensionen dieses Gebäudes irrte ich erst einmal in der Lindwurmstraße herum, auf der Suche nach dem passenden Eingang. Schnell wurde mir klar: Hier werden Dinge erledigt! All die Menschen, die sich vor den Eingängen tummelten, hatten eine Entschlossenheit im Blick, die zu sagen schien „Ja, ich bin bereit, Formulare auszufüllen!“. Das KVR verströmt eine Aura von Recht und Ordnung.

Endlose, graue Gänge führen in endlose, graue Verwaltungsräume, Treppen führen in unbekannte Welten, es gibt eine eigene Pizzeria im Haus und vermutlich lebt im Keller ein dreiköpfiger Hund.

Aus anderen Städten (Berlin) kenne ich es, dass fast jeder Bezirk gleich mehrere Bürgerbüros besitzt, die die schiere Masse an bürokratischen Aufgaben unter sich aufteilen (Lichtenberg hat alleine schon vier Stück!) – oftmals nicht besonders erfolgreich. In Berlin verbrachte ich gerne mal ganze Tage im Rathaus Neukölln – dort werden inzwischen Termine beim Bürgeramt am Schwarzmarkt gehandelt wie besonders reines Koks.

Im KVR wird einfach direkt die komplette Großstadt auf einen Rutsch abgehandelt. Als ich im Eingangsbereich stand, kam ich mir ein bisschen vor wie in einer tristen Version des Ministeriums für Hexerei und Zauberei – hätte mich ein Kobold auf Bairisch gefragt, ob ich ein paar Galleonen abheben möchte, hätte ich mich nicht gewundert.

Endlose, graue Gänge führen in endlose, graue Verwaltungsräume, Treppen führen in unbekannte Welten, es gibt eine eigene Pizzeria im Haus und vermutlich lebt im Keller ein dreiköpfiger Hund. Und so landete ich, nachdem ich drei Mal nachfragen musste, wo ich hin muss, in einer Turnhalle voller Menschen. Es handelte sich ausschließlich um Personen, die Pass-Angelegenheiten klären wollten und deren Nachnamen mit T bis W begonnen. Wow. Schreiende Kinder, genervte Großfamilien – und einige Leute sahen aus, als hätten sie schon drei Nächte hier verbracht.

Derartig funktionsfähige Bürokratie kann es vielleicht nur in Bayern geben – vielleicht hatte ich aber auch bloß Glück.

Der nächste Schock: Ich musste trotzdem keine fünf Minuten warten, bis ich in Zimmer 1 gerufen wurde und eine erschreckend gut gelaunte Mitarbeiterin mir all meine bürokratischen Probleme vom Hals schaffte. Derartig funktionsfähige Bürokratie kann es vielleicht nur in Bayern geben – vielleicht hatte ich aber auch bloß Glück. Trotzdem: Das KVR scheint zu funktionieren wie ein gut geöltes Uhrwerk. Hier wird im Takt gestempelt und getippt. Heimlich wartete ich darauf, dass die Büroangestellten ein Lied à la Sieben Zwerge anstimmen.

Weil ich so schnell fertig war, überlegte ich kurz, ob ich dieses kleine Paralleluniversum deutscher Organisationskunst nicht vielleicht noch ein bisschen genauer erkunden sollte. Und schaute auf die drei Meter hohe Tafel, die anzeigte, wo sich welche Angelegenheiten klären lassen. Ich musste an das Labyrinth aus „Shining“ denken und drehte wieder um: Mit allen Stempeln, die ich brauchte, und dem Gefühl, ein adäquater Alman zu sein.

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