Ich liebe dich, München – aber ich liebe mich mehr!

© Julie Fahrenheit

Text: Julia Menger

München, wir müssen reden. Also... du musst gar nichts sagen, einfach nur da sitzen und hübsch aussehen, das kannst du so gut und oh, das macht mir das Herz dann doch gleich nochmal schwerer. Denn schön bist du, so schön! Und ich liebe es, mich mit dir zu zeigen. “Hach, schau wie hübsch sie da lebt, in München!”, haben sie sicher gedacht, wenn ich Fotos geschickt habe aus dem Park, dem Biergarten, vom Einkaufsbummel und aus den Bergen.

Immer warst du so bildschön und immer habe ich deine besonders vorteilhaften Seiten betont, um noch ein bisschen mehr anzugeben mit dir als meiner Trophy-Stadt. Du stehst mir! Und du warst, von den Oberflächlichkeiten mal abgesehen, so gut zu mir in den letzten, fast sieben Jahren. Mit leeren Taschen und leerem Telefonbuch kam ich her, jetzt habe ich erstens Geld zum regelmäßig Kuchen essen gehen und genug liebe Menschen, die mir dabei Gesellschaft leisten. Ich bin, okay, war wirklich gern mit dir zusammen. Aber ich kann nicht mehr.

Ich will nicht immer mehr arbeiten und immer mehr Geld verdienen, nicht die doppelte Miete zahlen für nur ein Zimmer mehr und dabei nicht den Spaß an dir verlieren.

Ich kann es dir nicht mehr recht machen, kann mein Leben nicht mehr nach deinen Bedürfnissen ausrichten und dein Spiel mitspielen. Also ich kann natürlich, aber ich will nicht. Ich will nicht immer mehr arbeiten und immer mehr Geld verdienen, nicht die doppelte Miete zahlen für nur ein Zimmer mehr und dabei nicht den Spaß an dir verlieren. Ich sehe dich lachen, mit deinen anderen Freunden, den reichen, und kann nicht anders als mich mit ihnen zu vergleichen.

Ich weiß, das ist allein meine Perspektive, du hast ja auch genug normale Menschen um dich, aber ich habe mir letztens sogar schon eine Louis Vuitton-Tasche gekauft, so schlecht war dein Einfluss auf mich. Dabei wollte ich nie so ein hässliches Ding, ich will so gar nicht sein, ich bin das nicht. Die Tasche habe ich wieder verkauft, gewinnbringend, du bist sicher stolz auf mich, und ohne dieses überflüssige Gepäck starte ich in meine Zukunft. Ohne dich.

Für immer ist nicht für immer immer, nur bis zu dem Zeitpunkt, bis es einfach keinen Sinn mehr ergibt, bis es nicht weitergeht, bis es so schön ist, dass man weiß, dass es schöner nicht wird. Bis man gehen sollte.

Es geht nicht weiter mit uns und wahrscheinlich liegt es nicht an dir, sondern an mir. Ein Klischee, dass du mir glauben wirst. Aber wirklich wahr: Bis hier war es fantastisch. Denn du warst genau, was ich brauchte in diesen vergangenen sieben Jahren, hast mir alles gegeben, was ich von dir verlangt habe und noch viel mehr. Du warst da in meinen glücklichsten Momenten und in den schlechten habe ich einmal mehr die Vokabel “Luxusproblem” gelernt.

Ich habe mich so wohl gefühlt mit dir, dass ich mir bis vor Kurzem nicht hätte vorstellen können, dich zu verlassen. Aber wie es manchmal halt so ist. Für immer ist nicht für immer immer, nur bis zu dem Zeitpunkt, bis es einfach keinen Sinn mehr ergibt, bis es nicht weitergeht, bis es so schön ist, dass man weiß, dass es schöner nicht wird. Bis man gehen sollte. Und bis es wichtiger ist, man selbst zu sein oder zu werden und auf jeden Fall weiß, dass es hier nicht in die richtige Richtung weitergeht. München, ich liebe dich und ich werde dich immer lieben. Danke für die letzten Jahre, es waren die glücklichsten meines Lebens!

Es wird vielleicht etwas glanzloser werden und ja, die Berge am Horizont muss ich mir in Zukunft dazu träumen.

Was ich jetzt ohne dich mache, fragst du? Nun ja, ich hätte es selbst niemals für möglich gehalten und bis vor etwa einem Jahr hätte ich denjenigen ausgelacht, der mir das prophezeite, aber ich fange ausgerechnet da neu an, wo ich schonmal sehr glücklich war. Ja, ich weiß, was man über aufgewärmte Liebschaften sagt, aber ich habe nie wirklich aufgehört, diese Eine perfekt zu finden. Perfekt für mich als Studentin und perfekt für uns als Familie, nicht perfekt für alles zwischendrin, weswegen es sich auch nicht wie ein Schritt zurück anfühlt, sondern wie ein neues Kapitel, eben nur in einer bekannten Umgebung.

Sie heißt Leipzig, ist wie du wunderschön, nur ganz anders. Ich kenne all ihre dunklen Ecken und werde jetzt auch die Wälder und Spielplätze entdecken. Ich werde Bekanntes sehen und Neues auch, werde gute, alte Freunde treffen und sicher auch eine Handvoll neue. Ihre Aura ist ein andere, ihre Energie hat sich in den letzten Jahren tatsächlich nochmal verändert und alles um sie herum ist nicht mit deinem Reichtum zu vergleichen. Aber sie ist das, was ich jetzt brauche und so einerseits eine reine Bauchentscheidung und trotzdem die vernünftige Wahl.

Du wirst mich nicht vermissen, nicht lange jedenfalls und wenn ich einem guten Freund glauben darf, ich dich auch nicht.

Es wird vielleicht etwas glanzloser werden und ja, die Berge am Horizont muss ich mir in Zukunft dazu träumen. Aber ich kehre zurück zu meinen Wurzeln, jedenfalls in deren Nähe und so sehr ich auch viele Jahre dagegen angekämpft habe, ist das nun mal meine Gegend, meine Leute, ja, auch mein Dialekt, ein bisschen. Ich habe mir fest vorgenommen, ein paar unserer Insiderwitze und -wörter mitzunehmen und gern auch mal fröhlich “Pfiadi” zu rufen, das findest du bestimmt auch ein bisschen lustig.

Überhaupt, wie du da so vor mir sitzt, habe ich nicht den Eindruck, du wärst am Boden. Du wirst mich nicht vermissen, nicht lange jedenfalls und wenn ich einem guten Freund glauben darf, ich dich auch nicht. Und das ist toll, no hard feelings und so, ich will, dass wir beide glücklich sind, ohne Melancholie und ohne Reue. Vergessen werde ich dich nie, ich habe mir sogar im Lenbachhaus einen kleinen Frauenkirchen-Anstecker gekauft, den ich ganz nah am Herzen tragen werde, während ich bis zehn Uhr abends im Konsum einkaufe und die Sachen dann flinken Fußes in meine sanierte Altbauwohnung trage, für die ich genau so viel Miete zahle wie bei dir für… aber lassen wir das.

München, ich werde immer dein Fan bleiben und sollte jemand schlecht über dich reden da oben, werde ich die erste sein, die dich verteidigt.

Darum geht es ja auch nicht primär. Es geht darum, was für mich – und ich bin ja schon lange nicht mehr allein, also für uns – das Beste ist, das Entspannteste und Erfüllendste. Ich will diese neue, alte Beziehung jetzt auch nicht mit Erwartungen überstrapazieren, ich weiß schon, dass das keinem gut tut. Aber ich freue mich schon sehr auf alles, was da auf uns wartet. Und ich freue mich auf Münchner Besuch auf seinem ersten Leipzig-Trip, auf alle alten Freunde, die plötzlich wieder so nah sind, auf unseren Lieblingsvietnamesen, dem auch in München keiner das Wasser reichen konnte und auf die Familie, die jetzt nur noch eine kleine Autofahrt entfernt sein wird.

München, du kommst ohne mich klar, gar keine Frage, und ich auch ohne dich. Ich werde immer dein Fan bleiben und sollte jemand schlecht über dich reden da oben, werde ich die erste sein, die dich verteidigt. Die haben ja alle keine Ahnung! Danke für alles, du Schöne, es war perfekt, wie gesagt, und ich liebe dich, wie auch gesagt.

Für immer dein,

Julia

Dieser Text erschien zuerst auf dem Blog juliefahrenheit.com von der Moderatorin und Journalistin Julia Menger.

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