München ist so sicher – hier wird doch nicht geklaut, oder?

© Anna Rupprecht

In Print-Zeitschriften gehört es dazu, dass der Herausgeber auf der ersten Seite die Stimmung, Meinung oder Richtung der jeweiligen Ausgabe einfängt. Warum gibt es das auch nicht online?, haben wir uns gefragt. Denn genauso schwirren jede Woche Gefühle, Stimmungen und Meinungen durch München, die wir zwar mitbekommen, aber nirgends festhalten. Diese Kolumne ist der Platz, an dem ich all meine Gedanken zu München und dem, was mir diese Woche in der Stadt begegnet ist, sammle. In der heutigen Folge: Alle reden immer darüber, wie sicher München ist – und haben Recht!

Als ich Freitagnacht ziemlich angetrunken vor der Gaderobe im Cucurucu stand und meine Jacke plötzlich nicht mehr da war, konnte ich es gar nicht fassen. Denn während man in anderen Städten ja ständig Angst davor haben muss, in der U-Bahn einzuschlafen und dabei ausgeraubt zu werden, passiert in München ganz einfach nichts. Meistens. Dachte ich. Bis es mir dann eben doch passierte und mein nagelneuer und nicht gerade günstiger Mantel einfach vom Haken genommen wurde, während ich daneben saß.

Während ich in Berlin nachts immer noch ungerne U-Bahn fahre und auf Reisen Angst um meinen Geldbeutel habe, mache ich mir in München gleich nullkommanulla Gedanken.

Ich ging also ohne Jacke nach Hause und dachte mir, sobald ich meinen Rausch ausgeschlafen habe, werde ich das schon irgendwie begreifen. Doch auch am nächsten Morgen konnte und konnte ich es einfach nicht fassen – so etwas passiert doch nicht, nicht in München und vor allem nicht im Cucurucu. Gleichzeitig hatte ich auch Sorge: Dass mir nun mit diesem Vorfall nicht nur meine Lieblingsbar ein bisschen kaputt gemacht wurde, sondern auch meine allgemeine Sicherheits-Naivität.

Denn diese Naivität hat man nun mal als Münchner – zumindest, wenn man sich auch in München aufhält. Während ich in Berlin nachts immer noch ungerne U-Bahn fahre und auf Reisen Angst um meinen Geldbeutel habe, mache ich mir hier gleich nullkommanulla Gedanken. Nun könnte man sagen: Dann ist es dir ganz recht geschehen! Nein, finde ich eben nicht. Ich lasse auch nicht überall und ständig mein Zeug liegen, ich mache mir nur wenige Gedanken darüber und genau das finde ich gut – an München. Und ich habe eigentlich das Gefühl: Wenn ich nicht ständig panische Angst davor habe, dass wir etwas geklaut wird, dann passiert es mir auch nicht so schnell.

Nun kann ich – auch, wenn es vielleicht oder ziemlich wahrscheinlich gar nicht stimmt – in dem Glauben weiterleben, dass in München sehr viele, sehr gute Menschen wohnen.

Samstagabend meldete sich dann die Bar: Gute Nachrichten – die Jacke wurde gefunden, lag irgendwo rum, kann abgeholt werden. Und ich habe mich so arg gefreut, natürlich in erster Linie über den nichtverlorenen Mantel, vor allem aber über die nichtverlorene Naivität. Nun kann ich – auch, wenn es vielleicht oder ziemlich wahrscheinlich gar nicht stimmt – in dem Glauben weiterleben, dass in München sehr viele, sehr gute Menschen wohnen.

Menschen, die stecken gelassene EC-Karten bei deiner Bank abgeben, die Zettel aufhängen, dass sie einen Ring gefunden haben. Menschen, die deinen Geldbeutel in den Briefkasten einwerfen und die deine Jacke vielleicht sehr betrunken mit ihrer verwechseln, aber niemals, niemals eine fremde klauen würden. Vor allem doch nicht bei diesem Wetter.

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