Ich kenn' niemanden in München, der in einer teuren Wohnung leben muss

© Anna Rupprecht

In Print-Zeitschriften gehört es dazu, dass der Herausgeber auf der ersten Seite die Stimmung, Meinung oder Richtung der jeweiligen Ausgabe einfängt. Warum gibt es das auch nicht online?, haben wir uns gefragt. Denn genauso schwirren jede Woche Gefühle, Stimmungen und Meinungen durch München, die wir zwar mitbekommen, aber nirgends festhalten. Diese Kolumne ist der Platz, an dem ich all meine Gedanken zu München und dem, was mir diese Woche in der Stadt begegnet ist, sammle. In dieser Folge: Die größte Spezlwirtschaft in München ist der Wohnungsmarkt!

Letztes lernte ich eine nette Unternehmerin kennen, die nach Stationen in ganz Deutschland nun seit einigen Jahren in München lebt. "Ihr habt's eine ganz schöne Spezlwirtschaft hier", sagte sie zu mir. "Ihr schustert's euch gegenseitig die Wohnungen zu. Alles läuft nur über Beziehungen". Zuerst einmal freute ich mich kurz, dass sie den Begriff Spezlwirtschaft kannte und nickte ganz eifrig, doch auf dem Nachhauseweg dachte ich mir: Sie hat so recht – und das tut mir irgendwie auch leid. Denn in München gilt tatsächlich: Wer nicht drin ist, hat's verdammt schwer reinzukommen.

Klar, kenne ich ein paar der Agentur-Yuppies, die meinen, für 1200 Euro ein neurenoviertes Apartment in der Maxvorstadt beziehen zu müssen, aber die entscheiden sich halt bewusst dafür.

Und ich kenne dementsprechend halt wirklich niemanden, der in einer dieser überteuerten München-Wohnungen leben muss. Der 20 Euro für den Quadratmeter zahlt. Der jahrelang gesucht hat, um nun komplett abgezockt zu werden. Der in einem scheiß Viertel für scheiß viel Geld wohnt. Klar, kenne ich ein paar der Agentur-Yuppies, die meinen, für 1200 Euro ein neurenoviertes 1-Zimmer-Apartment in der Maxvorstadt beziehen zu müssen, aber die entscheiden sich halt bewusst dafür. Weil sie können oder ganz einfach, weil sie deppert sind – und nicht, weil sie müssen!

Bei meinen engen Freundeskreis sieht es dagegen eher so aus: WG-Zimmer in der Maxvorstadt für 400 Euro, 4-Zimmer-Wohnung in Haidhausen für 1400 Euro, Apartment in Untergiesing für 600 Euro. Wie all diese Menschen an ihre Wohnungen gekommen sind? Natürlich ist es immer ein bisschen Glück und wissen-was-man-tun-muss, also Hausverwaltungen durchtelefonieren, Ohren offen halten, bei Facebook posten, aber vor allem sind es am Ende des Tages die Kontakte, die entscheiden. Die Leute, mit denen man eben auch auf Facebook befreundet ist. Wie gut man in der Stadt vernetzt ist.

Es ist wie mit den coolen Jobs, die niemals ausgeschrieben werden. Da wird etwas frei und bevor man den Wohnraum der breiten Öffentlichkeit präsentiert, klappert man erst einmal seinen engeren Freundeskreis ab.

Denn die wenigen guten und bezahlbaren Wohnungen in München schustern wir uns tatsächlich nur noch gegenseitig zu. Es ist wie mit den coolen Jobs, die niemals ausgeschrieben werden. Da wird etwas frei und bevor man den Wohnraum der breiten Öffentlichkeit präsentiert, klappert man erst einmal seinen engeren Freundeskreis ab. Und wenn man dann selbst wieder auszieht, denkt man natürlich zuallererst an die beste Freundin, die gerade sucht. So rotieren die Wohnungen immer in den selben Kreisen – und bleiben auch da.

Meine erste Wohnung (45 Quadratmeter in Berg am Laim für 350 Euro) bekam ich über den Chef meines erste Praktikums. Bei meiner jetzigen hatte ich einen guten Tipp von einer Arbeitskollegin und dann ganz einfach Glück! Aber falls ich jemals wieder ausziehen sollte, was man sich in München ja bekanntlich drei Mal überlegen sollte, werde ich sie natürlich weitergeben an meinen Freundeskreis, so wie man ein wertvolles Schmuckstück über Generationen in einer Familie weitergibt.

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