Schlachthofviertel: Ein Abend wie in einer anderen Stadt
In Print-Zeitschriften gehört es dazu, dass der Herausgeber auf der ersten Seite die Stimmung, Meinung oder Richtung der jeweiligen Ausgabe einfängt. Warum gibt es das auch nicht online?, haben wir uns gefragt. Denn genauso schwirren jede Woche Gefühle, Stimmungen und Meinungen durch München, die wir zwar mitbekommen, aber nirgends festhalten. Diese Kolumne ist der Platz, an dem ich all meine Gedanken zu München und dem, was mir diese Woche in der Stadt begegnet ist, sammle. Diesmal: Eine Liebeserklärung ans Schlachthofviertel!
Am Wochenende wollten mein guter Freund B. und ich uns eigentlich das Frisches Bier, die neue Tilmans-Bar im Schlachthofviertel, angucken. Wie man hätte erwarten können, war natürlich abartig viel los. Ich verfluchte schon kurz, dass ich am vorerst letzten Abend mit Minusgraden und Schnee dafür wirklich das Haus und Giesing verlassen hatte. Irgendwie ist man ja immer so ein bisschen lost und lustlos in fremden Ecken, weil man nicht weiß, wo es gut ist, weil man keine Erfahrung hier hat. Dann kehrten wir aber ganz spontan, weil wir nur etwas Nettes ums Eck gesucht hatten, ins Drei Mühlen ein und ich bereute gar nichts mehr. Nach drei Gläsern Wein aka vier Hellen waren wir uns sicher: Das wird unsere neue Stammkneipe. Vor allem und nicht zuletzt wegen der eigenen Schnitzelkarte, ich sag nur Schnitzel-Trio!
Natürlich waren wir angetrunken-euphorisch, aber auch echt verliebt. In ein Viertel, das wir viel zu wenig kannten, viel zu selten besuchten und viel zu gut fanden.
Nach saugutem Essen und, wie geschrieben, ein paar genug Getränken, spazierten wir in den Straßen um den Schlachthof entlang. Natürlich waren wir angetrunken-euphorisch, aber auch echt verliebt. In ein Viertel, das wir viel zu wenig kannten, viel zu selten besuchten und viel zu gut fanden. Der magische Satz: "Das ist ja so gar nicht München hier", fiel natürlich auch mal wieder – spätestens als wir am Fischrestaurant Atlantik, den roten Backsteingebäuden in der Zenettistraße und dem Wirtshaus im Schlachthof vorbeiliefen.
Wir spazierten also durch Straßen, in denen wir glaubten, noch nie gewesen zu sein und dachten an den Klinker-Mauern vom Schlachthof an Hamburg. Wir fühlten uns so mitten in der Nacht im dunklen Schlachthofviertel fast ein bisschen wie im Urlaub, als wären wir in einer anderen Stadt. Und zum Schluss hin wurde der Abend sogar noch besser: Wir tranken ein wirklich letztes Glaserl in der saugemütlichen Vesperia, ließen uns vom Kamin die Füße wärmen, quatschten mit dem netten Barkeeper und waren schließlich die letzten Gäste in dieser wahnsinnig netten Bar, in der ich auf keinen Fall zum letzten Mal saß.
Das Schlachthofviertel ist endlich mal Großstadt, wenn auch nur in klein.
Das Fazit des Abends also: Zuerst einmal – wie krass es sich immer wieder lohnt, sein eigenes Viertel und mit ihm die immer selben vier Orte zu verlassen, an denen man sonst so abhängt. Auch, wenn es draußen kalt, der Weg für Münchner Verhältnisse weit und der Ort unbekannt ist. Noch nie habe ich es bereut in einem neuen Restaurant gegessen, in einer anderen Bar getrunken oder durch fremde Straßen gelaufen zu sein. Warum macht man es dann doch so selten?
Und natürlich: Große Schlachthofviertel-Liebe! Also, wenn ich nicht als nächstes nach Obergiesing ziehe, dann muss es auf jeden Fall diese Ecke hier sein. Wie auch immer "Das ist so nicht München" zu einem großen Kompliment werden konnte, in einer Stadt, in der wir ja alle wahnsinnig gerne leben – aber beim Schlachthofviertel passt es halt auch tatsächlich mal. Hier ist es anders, spannend, fremd, alt und irgendwie neu zugleich. Das Schlachthofviertel ist endlich mal Großstadt, wenn auch nur in klein. In Zukunft wage ich die drei Busstationen von Giesing hoffentlich öfter.