Von Neukölln nach Untergiesing: Über Stil lässt sich streiten
Spätestens, als unsere Autorin Johanna aus Neukölln mit dem Transporter in die neue Straße in Giesing einbiegt, ist ihr klar: Das hier wird anders. In ihrer Kolumne "Von Neukölln nach Untergiesing" schreibt sie nun jede Woche auf, wie sie München kennenlernt und welche Unterschiede ihr besonders auffallen. Was sie liebt (den V-Markt!), was sie hasst (kein günstiges Schawarma hier!) und warum München manchmal doch gar nicht so anders ist als Berlin.
Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Ausgabe von „Dinge vergleichen, die man nicht vergleichen kann“ mit eurer Lieblingsautorin Johanna. Heute: Die Mode in München und die Mode in Berlin.
Nein, ich werde jetzt nicht zum tausendsten Mal über die viel diskutierten Polohemden, Pelzkrägen, Seidentücher und Lederhosen der Münchner herziehen. Ich werde auch Neukölln nicht als Sammelbecken für modische Verwirrungen bezeichnen. Was Mode angeht, sind die Klischees in Stein gemeißelt: München ist ein einziger Pelzkragen, Babys kommen hier in Woolrichjacken zur Welt, während in Berlin alle Frisuren haben, als wären sie beim Heckenschneiden ausgerutscht und zum Shoppen mit einem DeLorean zurück in die Zukunft gereist. Aber wie so oft ist es in Wahrheit alles nicht so Schwarz und Weiß. Auch wenn das tatsächlich die primären Farben der Berliner Mode sind. Moment mal!
Was Mode angeht, sind die Klischees in Stein gemeißelt: München ist ein einziger Pelzkragen, Babys kommen hier in Woolrichjacken zur Welt.
Es lässt sich zugegebenermaßen nicht verleugnen: Ja, es gibt Tendenzen – und die merke ich auch am eigenen Leib. In Neukölln trug ich die meiste Zeit Mikropony, Undercut und sehr viel Schwarz. In München kaufte ich mir als allererstes eine beige Hose und ließ mir den Pony herauswachsen. Underdressed fühlte ich mich trotzdem an beiden Orten: In Neukölln, weil es sich nicht edgy genug anfühlte – und jetzt in München, weil es sich oftmals nicht schick genug anfühlt. Underdressed for life: Mein Schicksal zwischen den Metropolen.
Nun gibt es aber eine Sache, die in Neukölln und in München ganz genau gleich ist und auch im gleichen Maße nervt: Mode dient als Abgrenzung. Die Berlinerin zieht über den vermeintlichen Carmen-Geiss-Gedächntislook der Münchnerin her – und der Münchner darüber, dass man den Kreuzköllner Hipster optisch nicht vom Biss-Verkäufer unterscheiden kann. Und das alles, während beide höchst bemüht sind, beim alltäglichen Schaulauf in den eigenen Städten nicht von der Style-Polizei beanstandet zu werden: Denn egal, wie individuell man sich gerade vorkommt – oftmals handelt es sich am Ende doch um eine Art Uniform. Und das ist ja auch okay – solange man sich dessen bewusst ist und nicht zum Mode-Arschloch wird.
Statt nun also zum x-ten Mal zu betonen, dass in München alle gleich aussehen, in Berlin aber im Endeffekt auch: Lernen wir doch ein bisschen voneinander.
Statt nun also zum x-ten Mal zu betonen, dass in München alle gleich aussehen, in Berlin aber im Endeffekt auch: Lernen wir doch ein bisschen voneinander. Denn während München sich gerne eine Scheibe der modischen Neuköllner Gelassenheit abschneiden darf und öfter mal in gammeligen Sneakern und experimentellen Frisuren den Marienplatz betreten könnte, würde es Neukölln nicht schaden, sich ab und zu mal bewusster in Schale zu werfen, ohne dabei einen Verlust an Street-Credibility zu fürchten. Vielleicht käme dann am Ende eine städteübergreifende Entspanntheit dabei heraus, die mich und uns alle von der ständigen Gefahr der modischen Grenzüberschreitung bewahren würde. Und ich wäre nie wieder underdressed!