Ganz der Baba #8: Bin ich ab jetzt nur noch Teddys Papa?

© Marie Lechner

Sich einem gewissen Spießertum zu beugen, gehört zum Erwachsenwerden aber vor allem zum Elternsein wie der Segel-Slipper zu Grünwald. Man macht sich fast ein bisschen lächerlich, wenn man nicht wenigstens ein bisschen Spießer-Swag in sein Leben als Familie lässt. Längst gehören zweistöckige Edelstahl-Lunchboxen mit nicht toxischem Silikondeckel und der Thermomix zu unserem Familienalltag und das ist irgendwie auch gut so.

So lange ich ein bisschen Dr. Dre pumpe, während ich Gemüse dämpfe, lässt sogar mein 18-jähriges Rapper-Ich "Samsey" Milde walten. Ebenso spießig, aber doch auch unverzichtbar: Der Familienkalender. Der hängt zwar nicht in der Megatron-Spießer-Version am Kühlschrank, sondern ist ein digitaler Cloud-Kalender, aber wir haben ihn genau so ins Herz geschlossen wie den Thermomix.

So lange ich ein bisschen Dr. Dre pumpe, während ich Gemüse dämpfe, lässt sogar mein 18-jähriges Rapper-Ich "Samsey" Milde walten

Diesen Freitag steht mein Name im Kalender – flankiert von drei auffordernden Bier-Emojis. So nämlich: Vadder geht aus! Und zwar nicht so ein harmloses Bierchen unter der Woche mit ein zwei Homies, sondern Freitagsbier – BOOM! Bei uns bedeutet das nämlich, dass man auch den Samstag frei hat, mehr oder weniger zumindest. Bei meiner Frau und mir ist es zum ungeschriebenen Gesetz geworden, dass derjenige, der den Freitags-Ausgeh-Joker gezogen hat, vom Nachtdienst befreit und auch am Samstag Teddy-technisch safe ist.

Am Freitagabend mach ich mich also startklar: Endlich kommen die Air Jordans mal wieder zum Einsatz. Deren letzter Ausflug scheint wohl ein Weilchen her zu sein, denn ich entferne mit einem von Teddys Feuchttüchern eine kleine Staubschicht.

Auf der Party habe ich dann schneller das erste Bier im Kopf als ein Sechzger an einem sonnigen Samstagmittag

Auf der Party habe ich dann schneller das erste Bier im Kopf als ein Sechzger an einem sonnigen Samstagmittag und freue mich auf 'ne Menge flacher Witze und 'ne ordentliche Portion Dusel. Die erste lockere Unterhaltung mit einem Kumpel, den ich länger nicht gesehen habe, verlasse ich jedoch schneller als einen dieser Krabbelgruppenchats. Das einzige Thema, das ihn zu interessieren scheint: Teddy. Weil er findet ihn ja so süß, möchte Fotos sehen und er und seine Freundin wollen ja auch bald ein Baby...NEXT!

Eine alte Arbeitskollegin kommt in den Raum, läuft mir entgegen und nach wirklich vielversprechenden sechs Minuten driftet die Konversation mit Vollgas in Richtung Teddytalk. Ich erhöhe mein Trinktempo, denn die Carbonara, die ich vorhin für uns drei gekocht habe, bildet eine erstaunlich trinkfeste Grundlage. Die Hoffnung auf einen guten Abend gebe ich nämlich so schnell nicht auf.

Ich fühle mich fast schlecht, dass ich an einem Freitagabend, an dem ich doch einfach nur ein bisschen feiern wollte, nicht ununterbrochen über meinen Sohn sprechen möchte.

So pirsche ich mich hoffnungsvoll an einen alten Kumpel heran. Typ Junggesellen-Hardliner. Der hat Tinder in München bestimmt schon zweimal durchgespielt. Unmittelbar nach dem „Was geht bei dir?“ schüttet er mir sein Herz aus. Was ich mir erhoffe: wilde Geschichten aus dem Alltag eines Lebemanns. Was ich bekomme: Die Info, dass er sich nichts sehnlicher wünscht, als eine feste Beziehung und die Tatsache, dass er mich offensiv um meine Frau und mein Kind beneidet. Oha!

Ich fühle mich fast schlecht, dass ich an einem Freitagabend, an dem ich doch einfach nur ein bisschen feiern wollte, nicht ununterbrochen über meinen Sohn sprechen möchte. Bin ich undankbar, weil ich meinen Freitagsjoker nicht für Gespräche verbrauchen möchte, die ich doch schon die ganze Woche auf den Spielplätzen oder nach den Krabbelgruppen führe?

Bin ich nur noch Teddys Papa? Fällt euch zu mir denn wirklich nix anderes mehr ein?

Bin ich nur noch Teddys Papa? Fällt euch zu mir denn wirklich nix anderes mehr ein? Aber hey: Kann ich es überhaupt jemandem verübeln, dass mein Sohn nunmal mein “Aufhänger“ ist? Immerhin schreibe ich 'ne Kolumne über uns. Upsi.

Auf der Terrasse texte ich meiner Frau. Teddy pennt friedlich seit Punkt acht Uhr und sie genießt ihren freien Abend. Welch wunderschöne Ironie. Nach einem doch noch unterhaltsamen Abend, an dem ich einfach jedem, der es hören möchte, in witzigen Monologen von meinem Kind erzählte, vernichte ich um halb eins daheim die restliche Carbonara. Im Bett freue ich mich auf meinen halbfreien Samstag, aber noch mehr darauf, mit der Familie um Punkt neun Uhr im Auto zu sitzen, bevor die A8 Richtung Süden voll ist.

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