Ganz der Baba #11: Von Suchmaschinen-Eltern und Filzoveralls

© Marie Lechner

Es gibt unzählige Verhaltensanomalien, die man sich im Laufe der Zeit als junge Eltern aneignet. Eine davon: Die ständige und geradezu zwanghafte Überwachung des Wetters. Regen? Kalt? Nass? ist dabei synonym für Ach! Du! Scheiße! Auf Stunden und Tage, an denen das Rumtoben der Kinder wetterbedingt verwehrt bleibt, muss man aber auch sehr gut vorbereitet sein.

Erst seitdem ich Vater bin, studiere ich also akribisch die Wetter App nach regenlosen Zeitfenstern – und seien sie auch noch so klein. Wer die gute alte iPhone-App kennt, der weiß, dass die Informationslage mindestens so bröselig ist wie ein White Walker. der Bekanntschaft mit Dragon Glass macht. Dementsprechend habe ich – wie viele ander Eltern auch – eine regelrechte Angst vor dem Winter entwickelt. Man hortet Ideen und Aktivitäten für die Schlechtwettertage wie Jon Snow Attacken gegen den Night King – und der ist wenigstens leise und nicht ganz so unberechenbar wie ein Kleinkind.

Mami eins erzählt, dass sie mal die perfekte Raumtemperatur für das Spielzimmer ihrer Tochter – nennen wir sie mal Pauline – gegoogelt hätte.

Aus Mangel an gleichaltrigen Kindern im Freundeskreis fange ich also im September an und buche so einige Spielnachmittage, Musikspielstunden und all diese Aktivitäten, von deren Existenz man vorher nichts wusste – und schon gar nicht wissen wollte. In der ersten Musikspielstunde stürzt Teddy sich sofort auf eine Trommel und schlägt darauf ein, als ginge es um sein Leben.

Zwei Mamis vom Typ Haidhausener-Standard unterhalten sich angeregt über die Raumtemperatur und Mami eins erzählt, dass sie mal die perfekte Raumtemperatur für das Spielzimmer ihrer Tochter – nennen wir sie mal Pauline – gegoogelt hätte. Seit dem achte sie penibel darauf, diese auch überall einzuhalten. Während Teddy sich schwitzend in Rage trommelt, muss Pauline also ihren Filzoverall anbehalten.

Von Fußfehlstellungen wegen Klettverschluss, bis hin zu Hautausschlägen wegen falscher Bügeltemperatur, blasen die Suchmaschinen-Mamas meist ungefragt ihr unnützes Wissen in die Welt.

Und auch zum Thema Flötenholz hat Paulines Mami sich wohl bei Google informiert. Während Pauline heimlich am Reißverschluss des Filzoveralls rumfummelt, äußert ihre Mutter starke Bedenken gegenüber des oralen Kontakts mit der Babyblockflöte – vermutlich ist das Holz nicht unbehandelt. Diese Suchmaschinen-Mamas begegnen mir seitdem erstaunlich oft.

Von Fußfehlstellungen wegen Klettverschluss, bis hin zu Hautausschlägen wegen falscher Bügeltemperatur, blasen sie meist ungefragt ihre Zitate von übermutti.de oder wie die Foren alle so heißen, in die vermeintlich unwissende Umwelt. Wenn ich genau darüber nachdenke, ist das allerdings wenig überraschend. Immerhin ziehe ich die Suchmaschine auch vor fast jeder Konsumentscheidung zu Rate. Ich sag nur: "Beste nachhaltigste Zahnbürste 2019 Rabatt".

Ich habe meine Lektion in Sachen "google parenting" Gott sei Dank früh gelernt. Nach einem schlechten Hörtest, dachte ich Teddy sei jetzt taub. Dabei war bloß die Batterie des Testgeräts leer.

Was hat das erst für erstaunliches Potenzial bei der Suche nach dem ewigen Glück meines Sprösslings? Kann ich also die perfekte Kindheit einfach googeln? Jetzt bin ich nun wirklich kein Veteran in diesem Kinderbusiness, aber ist so ein Kind nicht vielleicht ein komplexeres Thema als eine Zahnbürste? Was ist denn aus Bauchgefühl geworden? Wenn Pauline einen glücklichen Eindruck macht, ist dann nicht vielleicht zumindest die zweite Stelle hinterm Komma der Temperaturanzeige scheißegal?

Ich habe meine Lektion in Sachen "google parenting" Gott sei Dank früh gelernt. Teddy hatte unmittelbar nach seiner Geburt einen Hörtest nicht bestanden und ich hing kurz darauf am Telefon und suchte im Netz nach entsprechendem Sachverhalt. Natürlich kam heraus, dass ich jetzt ein taubes Kind habe. Als ich im nächsten Schritt bereits nach Kursen für Gebärdensprache googelte, wurde der Test wiederholt. Das Ergebnis: Die verreckte Batterie von diesem Drecksglump-Testdings war leer und Teddy alles – nur nicht taub.

Ja, vielleicht hast du in deinem Lieblings-Elternforum gelesen, dass es giftig ist, CDs in den Mund zu nehmen. Vielleicht hast du aber auch gelesen, dass die Augen beim Schielen wirklich stecken bleiben.

Vielleicht bin ich seitdem etwas voreingenommen gegenüber Suchmaschineneltern. Ja, vielleicht hast du in deinem Lieblings-Elternforum gelesen, dass es giftig ist, CDs in den Mund zu nehmen. Vielleicht hast du aber auch gelesen, dass die Augen beim Schielen wirklich stecken bleiben. Und wenn schon: Es sind CDs und keine Uranstäbe! Pauline wird es ohne bleibende Schäden überleben, wenn sie mal kurz auf 'ner CD rumlutscht und deine Nerven werden es dir danken, weil sie in dieser Zeit einfach mal die Klappe hält.

Suchmaschinen sind ein Segen der Technologie und ich werde mich auf der Suche nach Kopfhörern und Küchengeräten weiter durch die Untiefen der Ergebnisse wühlen, Testberichte vergleichen und für Rabattcodes die Suchleiste rauf und runter reiten. Fair enough. Aber ich glaube, dass Siri und Alexa keine guten Mütter und Väter sind. Echt jetzt. Let me google that for you!

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