Ganz der Baba #15: Hör bitte einfach auf zu heulen!

© Marie Lechner

Sam und seine Frau haben nicht nur einen neuen winzigen Mitbewohner namens Teddy, sondern er auch einen neuen Job. Sam ist jetzt Papa – in Vollzeit. In dieser Kolumne nimmt er euch mit auf die Baustelle Baby. Warum freut man sich auf jemanden, den man noch gar nicht kennt? Was geht eigentlich bei den Münchner Mamas und was haben Air Jordans mit Feminismus zu tun? Immer mit dabei: die hilfreichen und manchmal fragwürdigen Lebensweisheiten seiner ägyptischen Mama.

Es ist Diestagmorgen und Teddy wirft mir ein doch sehr bossiges „Foffel“ an den Kopf. "Ok.", denke ich mir, "dir auch guten Morgen!" – aber der Foffeltrain rollt weiter: „Foffel, Foffel, Foffel! Bitte Papa, Foffel!“

Ich schlage meinen gedanklichen Langenscheidt „Teddy-Deutsch, Deutsch-Teddy“ auf und verstehe, dass er Kartoffeln meint. Naja, der Junge ist halber Alman, soll er seine Kartoffel kriegen. Ganz geil eigentlich, denn die Frage nach dem Mittagessen ist jetzt geklärt. Mir fällt kurz ein Titel für Teddys Biographie ein: „Zwischen Breze und Sesamring“. Während ich über meinen eigenen Gag lache, lange ich fast in Teddys volle Windel. Nach weiteren 87 Minuten sind wir ready to go und strahlen Richtung Caspar Plautz am Viktualienmarkt. Denn wenn schon Kartoffeln, dann richtig.

Dafür war die Faschingsparty in der Kita on fire. Teddy ging als Spaßtronaut. Ich habe ihm einfach schlechte Witze auf seinen Raumanzug geklebt.

Es sind Faschingsferien und ich bin der festen Überzeugung, dass Fasching von einem Praktikumsplatz beim Karneval träumt – ich als ägyptisch-rheinische Frohnatur habe wenig Traurigeres gesehen als Fasching in München. Das ist ungefähr so falsch wie ein Oktoberfest in Abu Dhabi. Dafür war die Faschingsparty in der Kita on fire. Teddy ging als Spaßtronaut. Ich habe ihm einfach schlechte Witze auf seinen Raumanzug geklebt. Ihr seht schon, ich nutze die verbleibenden Tage, an denen er sich noch nicht wehren kann, voll aus.

Auf dem Viktualienmarkt angekommen, ballert das Glücksbarometer nach oben als ich Teddy seine Foffel präsentiere. Am Stehtisch vor uns unterhalten sich drei Mamis und ein Papi – ja, so nennen sie sich bestimmt selbst. Wobei unterhalten wahrscheinlich nicht das richtige Wort ist. Es scheint mehr ein Wetteifern zu sein, wer es wohl am schwersten hat im Leben.

Bei Wettbewerberin Nummer drei merkt man, dass sie direkt aus dem Trainingslager kommt oder wie sie es nennt: Zwei Monate Elternzeit in Thailand.

Eine Wettbewerbsteilnehmerin geht mit dem Leiden ins Rennen, dass sie zwar einen Kitaplatz im Glockenbach haben, aber die kleine Luna-Stella dauernd krank sei und es gar nicht genug Abstellmöglichkeiten für die Kinderwägen gäbe. Im Mittelteil ihrer Kür packt sie ein vermutlich sicheres verbales Standardelement aus: "Das geht ja wohl gar nicht!" und beendet das Ganze mit einem überlegenen Finishing-Move: "Da muss man ja wohl mitdenken!"

Der Herausforderer ist dran und wirft die schier unglaubliche Tatsache in den Ring des Leidens, dass er letzten Freitag auf dem Weg zum Skiwochenende nicht alleine auf der A8 war und es stressig sei mit den Kindern in den Skiurlaub zu fahren. Ein überraschender rechter Haken sieht anders aus. Leider findet er nicht zu seiner Form und kann mit dem Gejammer darüber, dass man im Familienurlaub auch immer so viel Gepäck habe und freitags erst um 15 Uhr aus dem Büro komme, leider nicht wirklich punkten.

Bei Wettbewerberin Nummer drei merkt man, dass sie direkt aus dem Trainingslager kommt oder wie sie es nennt: Zwei Monate Elternzeit in Thailand. Sie holt aus und schmettert ihren Kontrahent*innen eine Dreier-Knatsch-Kombo entgegen, dass selbst Son-Goku erzittern würde. Aber Leute, was soll man schon machen gegen "schrecklich heiß", "vier Tage erkältet" und "keine Kinderhelme im TukTuk"?!

Die Sonne scheint, die beteiligten Kids scheinen alle gesund und die drei vom Tränentempel haben an einem schnöden Dienstagmittag jeweils ein Glas Weißwein vor sich. Was ist ihr Problem?

Die Sonne scheint, die beteiligten Kids scheinen alle gesund und die drei vom Tränentempel haben an einem schnöden Dienstagmittag jeweils ein Glas Weißwein vor sich. Ich komme nicht ganz mit, woher das Leid eigentlich kommt und warum es wohl alles andere als eine Randsportart ist. Warum gibt man nicht die positiven Dinge wieder? Ist es zur Kultur geworden, aus Angst vor Neid alles klein und mies zu reden? Genauer gesagt denke ich: "Was ist euer Scheißproblem?!"

Aber viel Wichtiger: Wenn wir Dinge, wie die Fahrt in den Skiurlaub und die Suche nach einem geeigneten Stellplatz für den obszön großen Kinderwagen in einem der am dichtesten besiedelten Viertel der Stadt, als so schwer und leidvoll vorleben, dass es sich lohnt, an einem sonnigen Tag mit einem Glas Wein in der Hand darüber zu reden – Was zur Hölle sollen denn dann die Kinder denken, wie richtige Probleme aussehen?

Meine Frau hat mir mal den Begriff „Glücklich feiern“ beigebracht. Manchmal, wenn einfach alles gerade super ist, genau wie es ist, dann stoßen wir darauf an.

Meine Frau hat mir mal den Begriff „Glücklich feiern“ beigebracht.
Manchmal, wenn einfach alles gerade super ist, genau wie es ist, wenn alles okay ist und es eigentlich keinen Grund zu feiern gibt – genau dann feiern wir glücklich. Wir stoßen darauf an, dass gerade alles gut ist. Ganz einfach, um dankbar zu sein.

Auf dem Heimweg sagt die MVG durch, dass es zu einer geringfügigen Verspätung auf der U2 kommt. Ein als Clown verkleideter Typ kriegt lauthals das Kotzen und stöhnt genervt in die Menge. Teddy kommentiert das Gesehene mit „Clownschimpfe!“. Ich muss laut lachen und frage mich ob er weiß, dass erwachsenes, undankbares Gejammer bei mir ab sofort Clownschimpfe heißt.

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