Schnee auf der Theresienwiese und alle Sorgen sind vergessen

© Brigitte Buck

"Was geht denn ab?", murmle ich immer wieder in meinen Schal, meinen Weg durch die enormen Schneemassen bahnend. Es hat den ganzen Tag geschneit, einfach nicht mehr aufgehört. Dicke Flocken, die ab und zu die Sicht nach ein paar Metern beschränken. Teilweise fallen sie zart und leicht vom Himmel herab, teilweise kann man schon von einem richtigen Schneesturm sprechen.

Ich bin keine Wetterexpertin und meine Erinnerung an die Winter meiner Kindheit sind durch die Jahre dazwischen, vor allem dank der durchzechten Nächte, vielleicht nicht mehr ganz akkurat. Aber dieser Schnee ist etwas ganz besonderes, das fühle ich. Denn ich befinde mich keineswegs in den Bergen, auf einer Ski-Tour über Gipfel hinweg. Ich stapfe einfach quer über die Theresienwiese und stecke dabei bis zu den Waden in noch unberührtem Schnee. Der absolute Wahnsinn!

Die freudigen Jauchzer hallen dabei über den gesamten Platz, überhaupt sind die Menschen hier nur am Grinsen. Von einem unter Mütze und Schal versteckten Ohr zum anderen.

Das hier ist kein Tagebucheintrag aus dem Jahr 1810, als auf der Theresienwiese noch Pferderennen veranstaltet wurden. Ich stelle mir aber vor, dass es hier damals im Winter ganz genau so aussah und es würde mich absolut nicht wundern, wenn aus der nächsten Schneeböe eine Kutsche hervorpreschen würde. Die bleibt leider aus, dennoch sind einige Langläufer*innen schon flott unterwegs. No joke. Auch Schlitten, Schneerutscher und sogar die gute alte Plastiktüte kommen als Fortbewegungsmittel zum Einsatz. Die freudigen Jauchzer hallen dabei über den gesamten Platz, überhaupt sind die Menschen hier nur am Grinsen. Von einem unter Mütze und Schal versteckten Ohr zum anderen.

Ich ertappe mich sogar dabei, wie ich immer wieder im Gestöber stehen bleibe und meine Zunge gen Himmel recke, um ein paar einzelne, dicke Flocken aufzufangen.

Eigentlich bin ich der absolute Sommer-Mensch. Gib mir zehn Minuten Sonne am Tag und ich bin happy. Doch wo Kälte, Schnee und Eis normalerweise mein vergnügtes Gemüt trüben – bin keine Wintersportlerin, was also anfangen mit der kalten Jahreszeit? –, empfinde ich hier und jetzt nur pures Glück. Innerhalb kürzester Zeit passe ich mich meiner Umgebung an, mehr Schneefrau als Mensch. Ich ertappe mich sogar dabei, wie ich immer wieder im Gestöber stehen bleibe und meine Zunge gen Himmel recke, um ein paar einzelne, dicke Flocken aufzufangen. Nur weil ihn noch kein Mensch berührt hat, bin ich mir nicht sicher, ob es hygienisch ist, Schnee zu essen. Was wohl Christian Drosten dazu sagen würde?

So dicht der Schnee auch fällt, die Corona-Teststation bleibt omnipräsent. Umgeben von einer Armee stählerner Bauzäune liegt das riesige Zelt beinahe hinterhältig da und erinnert an das Schloss der Schneekönigin. Aber zurück zum Glücksgefühl. Denn wenn ich mir die Gesichter der anderen Schneewander*innen so anschaue, bin ich mir sicher, dass sie dasselbe denken, wie ich. Diese im Schein der Laternen glitzernde Pracht soll bitte niemals schmelzen. Je mehr sich die weiße Decke ausbreitet, desto mehr kann man eine Sorglosigkeit verspüren, die genau das ist, was wir alle so dringend gebraucht haben. Die Pandemie fällt in einen kurzen Winterschlaf, die Zeit steht still. Jetzt heißt es: Stehen bleiben, durchatmen und den Moment genießen. Aber Obacht vor Schnee in der Nase – das ist und bleibt einfach nur unangenehm!

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