München, dein Tanzverbot ist so Last Century

© Mitya Kolomiyets

"Ne, heute geht nichts abends, ist doch wieder stiller Feiertag." Diesen Satz kennen wir nur zu Genüge. Im christlichen Bayern ist die Menge an Feiertagen ja ein alter Hut, aber was hat es mit diese stillen Tagen auf sich? Zur Erklärung: Still bedeutet hier, dass Veranstaltungen, die über den "Schank- und Speisebetrieb hinausgehen", nicht stattfinden dürfen. Soweit so gut. Dass es dabei 111 Ausnahmen gibt, habe ich während meiner Recherche allerdings auch herausgefunden, dazu aber später mehr. Wir in Bayern sind gesegnet – oder verflucht, wie man es nimmt – mit neun solcher Tage. In Hessen sind es sogar ganze 15 (!) Tage. Wucher, finde ich. Ich sehe schon auch die Beweggründe von Feiertagen wie dem Totensonntag. Verstorbenen Personen zu gedenken ist eine schöne Geste, ganz klar. Aber Tanzverbot? Ich weiß ja nicht.

Dass die Leute, die mit Religion nichts zu tun haben (oder auch die, die religiös sind), nicht tanzen dürfen, finde ich Quatsch.

Vorweg möchte ich sagen: ich urteile über niemanden, der*die einen Glauben jeglicher Art verfolgt. I mean, ich glaube an Sternzeichen. Jedoch sollte man manche Dinge einfach in regelmäßigen Abständen hinterfragen. Dass diese Feiertage eigentlich ausnahmslos von der Kirche initiiert wurden, ist wohl klar. Ostern, Allerheiligen, Buß- und Bettag (an dem man Buße tun und beten soll, nicht tanzen darf, aber arbeiten gehen muss). Auf der anderen Seite haben sich die Kirchenaustritte – zum Beispiel in München – in den letzten zwei Jahren verdoppelt. Und die Zahl der Menschen, die sich dem christlichen Glauben nicht zugehörig fühlen, wächst auch im christlichen Bayern jährlich. Dass jedoch diese Leute, die mit Religion nichts zu tun haben (oder auch die, die religiös sind), nicht tanzen dürfen, finde ich Quatsch. Doch bei genauem Hinsehen hat dieses Tanzverbot an bestimmten Feiertagen noch ein paar mehr sinnlose Lücken.

Tanzen im Club ist verboten, bei der Bundesliga im Stadion grölen erlaubt: Ein Verbot mit 1000 Lücken

Die Definition ist jetzt also klar: Schank- und Speisebetrieb yes, alles darüber hinaus no. Das bedeutet also, dass nicht nur Clubs und Bars leiser drehen müssen, sondern auch dass Konzerte nicht stattfinden dürfen. Saufen ist also erlaubt, aber halt im Stillen. Ach und Klassik-Konzerte dürfen schon statt finden. Bei Pop-Konzerten kommt es wieder individuell darauf an. So oder so muss man sich das Stattfinden genehmigen lassen. Und das, obwohl nicht nur Musik zum Kulturgut gehört, sondern seit Frühjahr 2021 auch Clubs als Kulturstätten angesehen werden. Trotzdem wird hier unterschieden. Die Bundesliga darf übrigens (außer an Buß- und Bettag und Karfreitag) immer spielen. Warum darf man jetzt grölend im Stadion stehen und Bier in sich reinkippen, aber nicht tanzen gehen? Also, ich würde lieber tanzen.

Tanzen ist verboten und das, obwohl nicht nur Musik zum Kulturgut gehören, sondern seit Frühjahr 2021 auch Clubs als Kulturstätten angesehen werden.
© Mitya Kolomiyets

Und die nächste Ausnahme folgt. Vor einigen Jahren wurde die Regelung angepasst, so dürfen Clubs bis 2 Uhr früh Musik spielen. Danach muss man zwar nicht nach Hause gehen, die Musik muss jedoch gedimmt werden und man darf nicht mehr tanzen. Dann steht man also wie eine Statue im Club rum und schaut blöd durch die Gegend. Auch nett. Ausnahme Nummer Drölfzig: Wenn die Veranstaltung als private gekennzeichnet wird, ist sowieso alles wieder kein Problem. Also machen einige Clubs einfach eine Gästeliste für alle Gäste und gut ist. Und selbst, wenn man die Party öffentlich macht: für viele Betreiber*innen lohnt es sich eher, es drauf anzulegen und notfalls das Bußgeld zu zahlen, denn das hat man an so einem Abend recht schnell wieder in der Kasse.

Mein Plädoyer: Tanzverbot abschaffen.

Ihr merkt also: Irgendwie schon ein ordentlicher Quatsch diese ganzen Regelungen mit tausend Ausnahmen. Ein Clubbetreiber in München hat an Allerheiligen 2022 eine Strafe bekommen und sagte dazu: "Ich wusste von keinem Tanzverbot." Mag man ihm jetzt glauben oder nicht, aber bei diesen ganzen Regelungen kann man ja auch nur verwirrt sein. Das regt mich sowieso extrem auf. Entweder es gibt Regeln oder halt nicht. Aber dieses halbscharige "Mal so, mal so" checke ich einfach nicht (siehe Corona-Regelungen). Mein Plädoyer: schafft es doch einfach ab. Wer der Geburt oder dem Tod von Jesu Christi gedenken will, darf das ja gerne tun. Aber die, die es eben nicht wollen, können doch einfach tanzen gehen. Das eine muss das andere ja nicht unbedingt ausschließen. Feiern gehen und am nächsten Tag trotzdem in die Kirche. Denn im Fußballstadion kann man ja jetzt auch nicht so gut still Demut zeigen und gedenken.

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