Diskriminierung hat keinen Platz in München – auch nicht auf der Wiesn
Die Wiesn, immer gut für Gesprächsstoff, sorgt sie jedes Jahr aufs Neue für Diskussionen. Es ist ja so, entweder man liebt sie oder man hasst sie und in München sind alle fein damit. Geh' hin oder lass es. Ganz so einfach ist es aber nicht, wenn Grenzen überschritten werden, über die insbesondere die Stadtpolitik nicht hinwegschauen kann. Sexismus, Rassismus sowie jegliche Form der Diskriminierung haben keinen Platz in München, auch nicht auf der Theresienwiese. Auch nicht in Form von Bildern.
Daher haben die Betreiber*innen des Voodoo-Jumper die Fassade des Fahrgeschäfts übermalen lassen. Nun ist die erschrockene Frau, deren Oberteil von einem Äffchen gestohlen wurde, wieder bekleidet. Damit reagieren die Schausteller*innen auf die Kritik seitens der Stadtpolitik.
Schon im April startete die Debatte um die Wiesnbilder
"Ich bin sehr froh, dass eine gute und einvernehmliche Lösung gefunden wurde, zusammen mit den Schaustellern", sagt die Zweite Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Bündnis 90/Die Grünen) auf unsere Anfrage. Habenschaden hatte die Debatte im April 2023 angestoßen, die diskriminierenden Bilder auf dem Voodoo-Jumper sowie ein weiteres der Wurfbude Crazy Alm nicht zu tolerieren. Kritiker*innen wie Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner (CSU) sahen in der angeblichen Kunst aber nichts Verwerfliches oder halten die Übermalung für Schwachsinn – wie in den Kommentaren zu unserem Instagram-Post zur Thematik. Wie humorlos, so ein bisschen Spaß werde man wohl noch aushalten. Als wäre da so eine unbequeme woke Bubble, die da reingrätscht, wo sie nichts zu suchen hat. Damit macht man es sich aber zu einfach.
35 Sexualdelikte gab es auf der Wiesn 2022
Einige tun ja fast so, als seien Sexismus und Rassismus beliebige Begriffe, die eine Partei in München im April 2023 ausgegraben hätte: Beim Oktoberfest 2022 gab es laut Polizeibericht 35 Sexualdelikte, darunter drei Vergewaltigungen, in zwei Fällen wurde Frauen unter den Rock gefasst. Schon seit 20 Jahren gibt es auf der Wiesn das Projekt "Sichere Wiesn", ein Safe Space für Mädchen und Frauen. Außerdem werden im Polizeibericht 244 Fälle von Körperverletzungen und 376 Festnahmen angeführt, welche Vorfälle rassistisch motiviert waren, geht aber nicht hervor.
Bei Diskriminierung hört der Spaß auf!
Was nun die vermeintlich lustigen Bilder damit zu tun haben? Sie werden wohl nicht merklich dazu beitragen, dass die Kriminalstatistik steigt. Aber: Die Bilder verharmlosen Diskriminierung. Vor gut zehn Jahren mag es noch gesellschaftlich akzeptiert gewesen sein – also von der breiten, weißen, cis-männlichen Masse. Frauen, PoCs und Menschen mit Migrationshintergrund wurden damit schon immer sexualisiert, sexistisch beleidigt oder rassistisch angegriffen – nur fehlte das Verständnis, es hat keine*n geschert und ein Aufschrei blieb aus.
Jetzt schreiben wir das Jahr 2023, in dem vor allem junge Menschen endlich die Möglichkeit haben, zu lieben, wen sie wollen. Zu sein, wer sie wollen. Das Geschlecht zu haben, das sie wollen – auch wenn wir in Bayern noch länger auf das Selbstbestimmungsgesetz warten müssen. Wenn eine Zeichnung wie bei der Crazy Alm eine PoC zeigt, die den Dirndlrock einer Frau hochhebt und ihren Hintern entblößt, dann ist das schlichtweg beleidigend. Da darf es 2023 keine Diskussion mehr darüber geben, ob es nicht doch ein bisschen lustig ist oder wie unlustig oder woke Menschen sind, die sich dabei angegriffen fühlen. Sobald sich ein Mensch beleidigt, diskriminiert, beschämt fühlt, muss das Grund genug sein, um das zu unterlassen.
Sexismus auf der Wiesn ist seit Juni offiziell verboten
Ein Schritt ist ein Zusatz in der Oktoberfestverordnung, der im Juni 2023 im Stadtrat einstimmig beschlossen wurde. Bisher stand im Paragraf 4, dass "rassistische, fremdenfeindliche, LGBTIQ*-feindliche, gewaltverherrlichende oder rechts- bzw. linksextremistische Parolen zu äußern oder zu verbreiten oder Bevölkerungsgruppen durch Äußerungen oder Gesten zu diskriminieren" auf der Wiesn nicht erlaubt ist. Dazu wurde jetzt das Wort "sexistisch" ergänzt. Damit sollen auch diskriminierende Zeichnungen verhindert werden. Allerdings kann im Vorfeld nicht jede Fassade inspiziert werden. Man kann nur nochmal genauer hinschauen und debattieren. Und wenn es doch Verstöße gibt? Eine Schiedskommission oder eine Form der Ahndung ist nicht vorgesehen. Man hofft wohl weiterhin auf friedliche Lösungen wie beim Voodoo-Jumper. Klingt ein wenig nach: "Wir hoffen auf gesunden Menschenverstand". Aus der Vergangenheit wissen wir aber, dass wir darauf nicht immer setzen können. Da wäre mehr Eingreifen seitens der Politik auf alle Fälle wünschenswert, wie beispielsweise mit einem Bußgeld oder einer vorübergehenden Wiesnsperre.
Fest steht, dass es auch trotz der Übermalung von Bildern sexuelle Übergriffe und rassistische Beleidigungen geben wird. Die Reaktionen der Stadtpolitik und der Schausteller*innen zeigen aber, dass das Verständnis für die Opfer von Diskriminierung auch auf der Wiesn angekommen ist. Weitere Aufklärung in Schulen und an Arbeitsplätzen sowie Awareness-Teams zusätzlich zur "Sicheren Wiesn" können sicher helfen und somit für einen sensiblen und verständnisvollen Umgang miteinander beitragen. Auch, wenn es noch ein längerer Weg sein wird, bis in allen Köpfen angekommen ist, wie wichtig ein respektvoller Umgang mit allen Menschen ist – egal welches Geschlecht, welche Herkunft, welche Hautfarbe man hat und wen man liebt.