Granteln, why not? Aber bitte mit Respekt!

© Lena Wachter

Ich bin ein großer Grantel-Fan. Ich grantel nicht nur gerne, sondern habe auch überhaupt kein Problem damit, angerantelt zu werden. Dieses mürrische Gschau und Murren, das raus muss, wenn mir gerade etwas nicht passt – egal, ob es sich dabei um mentale oder körperliche Wehwehchen handelt. Ein sanftes Ventil, um dem Frust Platz zu machen, bevor dieser sich anstaut. Wenn sich noch jemand in die eh schon zu volle U-Bahn quetscht, man sich die Zunge am heißen Porridge verbrennt, eine neue Kollegin den Sarkasmus nicht erkannt. Kurz darüber aufgeregt – welch Depp man ist oder welch Deppen die anderen sind – macht dieser Grant jegliches Alltagshoppala erträglicher. Und es schadet ja niemandem, oder? In Österreich und Bayern, wo der Grant großflächig vertreten ist, werden sich wahrscheinlich wenige Menschen daran stören. Außerhalb dieser Region oder Zugezogene aber vielleicht schon.

Deswegen gilt: Wenn sich jemand beleidigt oder ausgegrenzt fühlt oder die üble Laune nicht erträgt, ist es doch an der Zeit, die Gefühlskundgebung zu überdenken. Wo ist da die Grenze und ist der Grant wirklich harmlos? Wo kommt der eigentlich her? Wir schauen mal nach.

Grant
© Unsplash | Karina Tess
Es ist ein gesunder Pessimismus, vielleicht ein Selbstschutz, um nicht naiv und happy alles für bare Münze zu nehmen.

Grant als Lebensgefühl

Das Granteln kommt vom grantig sein, eh klar. Das Wort taucht zum ersten Mal im 16. Jahrhundert auf, wo es aber genau her kommt, ist unklar. Es beschreibt auf jeden Fall eine*n übel gelaunte*n, mürrische*n Zeitgenoss*in, der*die, so scheint es, schwer zufrieden zu stellen ist. Da müssen wir Grantler*innen widersprechen, denn das Gegrantel gehört in Süddeutschland und Österreich zum Lebensgefühl. "Der Grant ist eine speziell bayerische Gemütslage. Ihn einfach als 'schlechte Laune' oder 'Nörgelei' zu bezeichnen, das ist viel zu oberflächlich – er geht viel tiefer und steht für eine argwöhnische Grundstimmung, für ein gesundes Misstrauen gegen alles und jeden", schreibt der Münchner Schriftsteller Helmut Zöpfl in seinem Buch "Anleitung zum Granteln.

Und so sehe ich es auch: Es ist ein gesunder Pessimismus, vielleicht auch ein Selbstschutz, um nicht naiv und happy alles für bare Münze zu nehmen. Sondern erst skeptisch zu sein. Und auf den zweiten Blick – oder auch dritten – entpuppt sich oft erst, welch ein lieber Mensch sich dahinter versteckt. Es muss ja nicht jede*r gleich hinter die Fassade blicken können. Aber versteht mich nicht falsch, es ist auch keine Maske oder gar Schauspielerei, sondern eine Art Distanziertheit, die es erst vertrauten Menschen ermöglicht einen Blick ins Innere zu erhaschen.

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Aus der Zeit gefallen?

Was wäre Bayern ohne den grummeligen U-Bahn-Fahrer, der über die Gäste schimpft, die alle bei der gleichen Tür zusteigen. Was wäre Wien ohne die Verkäuferin, die einem nur eine Tüte gibt, wenn man dazu Sackerl sagt. "Aber bitte ganz schnell." Nicht umsonst gilt Wien als die unfreundlichste Stadt der Welt. Doch nirgendwo sonst wird Direktheit so geschickt in Charme gehüllt, dass man dem Gegenüber trotzdem nicht bös' sein kann.

Was aber, wenn dieser sogenannte Charme aus der Zeit gefallen ist? Jemanden verletzt, der*die den Grant nicht versteht? Oder sogar rassistisch bei den Empfänger*innen ankommt? Dann ist es vielleicht nicht bös' gemeint, kommt aber definitiv so an. Und da muss eine Grenze gesetzt werden.

© Pixabay

Gespür für Grenzen

Der Grant richtet sich zwar meistens gegen sich selbst, es tut aber auch ganz gut, gemeinsam zu schimpfen und zu maulen. Das Umfeld reagiert darauf und so hat auch etwas Gemeinschaftliches. Granteln hat aber nichts mit Sexismus, Rassismus oder jeglicher Form der Diskriminierung zu tun haben, das ist auch nicht die Absicht dahinter. Wer also gerne grantelt, sollte ein Gespür dafür entwickeln, wann das eigene Verhalten verletzend oder diskriminierend sein kann – wie man es eben in allen Lebens- und Gefühlslagen tun sollte. Granteln, why not. Aber bleibt bitte respektvoll!

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