Ausflugsvergnügen: Workation direkt an den Dolomiten im Eggental
Die Sonne geht unter, der Mond geht auf, das Gefühl bleibt. Das Kribbeln im Bauch und die Gänsehaut auf den Armen beim Blick auf die Bergkette der Dolomiten. Wir stehen auf dem Gipfel des 2.317 Meter hohen Weißhorns im Eggental in Südtirol. Die letzten Sonnenstrahlen treffen unser Gesicht, wir beobachten die Silhouetten anderer Wanderer am Gipfelkreuz. Die schroffe Schönheit der Dolomiten macht mich ruhig und ich spüre diese Zuversicht, die mich oft nur in den Bergen überkommt: Alles ist gut.
Eine Sonnenuntergangs-Wanderung, die wir nach der Arbeit vom Hotel aus machen. Denn mit Laptops im Koffer haben wir uns von München aufgemacht zu unserem Workation-Trip Richtung Bozen. Vorbei an Weinbergen verlassen wir die Autobahn und fahren ins Eggental – das südlichste Ende und gleichzeitig die kleinste Region der Dolomiten. Das Tal erreichen wir in vier Autostunden oder mit Zug und Bus in rund fünf Stunden. Die beiden Dolomiten-Massive Latemar und Rosengarten ragen spitz in den Himmel. Auf den Almwiesen blühen Wildblumen. Die dichten Fichtenwälder färben das Tal tiefgrün.
Ein Dolomiten-Berg als Nachbar
Viele verbinden mit den Dolomiten, die seit 2009 UNESCO-Weltnaturerbe sind, das weltberühmte Wahrzeichen der Drei Zinnen in den Sextner Dolomiten. Während dort Reisebusse voller Touris ankommen, bleibt das Eggental ein Geheimtipp. Lucky us! Denn hier finden wir nicht nur Ruhe auf den Wanderwegen, sondern auch immer einen Platz – beim Parken ebenso wie auf den gemütlichen Berghütten. Für uns Münchner*innen ein Privileg.
In Obereggen checken wir für drei Tage im Vier-Sterne-Hotel Cristal von Familie Thaler ein. Das Hotel schmiegt sich nah an das Latemar-Massiv – wir haben einen Berg als Nachbar. Es riecht frisch nach Holz, ein bisschen wie in einer Sauna. Unsere Mountain Suite ist vom Abendlicht durchflutet, gedanklich landet das Hotel sofort in den Top 5 unserer krassesten Hotelaufenthalte. Vom Boxspringbett fällt der Blick auf eine unberührte Berglandschaft. Durch die bodentiefen Fenster strömt viel Licht ins Zimmer, die Holzmöbel bringen Wärme und Gemütlichkeit. Um die Ecke liegt das offene Bad mit einer großen Regendusche.
Nachtwandern mit Alpenskorpion
Bevor wir ins Bett fallen, geht es noch auf eine Nachtwanderung in Steinegg. Zusammen mit den Dörfern Gummer und Karneid bildet der Ort das erste europäische Sternendorf. Astronomin Stephanie erzählt uns, dass Südtirol in Italien am konsequentesten gegen Lichtverschmutzung vorgeht. Mit Stirnlampen folgen wir dem Planetenweg durch den Wald. Plötzlich zeigt Stephanies Mann Günther, ebenfalls Astronom, auf eine Steinwand: ein Alpenskorpion. Selten – und nur hier in Südtirol oder im Allgäu bei Nacht zu finden. Der Vollmond macht es zwar schwer, Sterne zu beobachten, doch allein der Gedanke, dass hier einer der schönsten Nachthimmel Italiens wartet, ist ein guter Grund, zurückzukommen.
Afterwork-Hike statt Afterwork-Drink
Am nächsten Morgen klappen wir die Laptops auf dem riesigen Eckbalkon auf – fast absurd, bei dieser Aussicht zu arbeiten. Statt Afterwork-Drink gibt es hier einen Afterwork-Hike. Wanderschuhe an, Proviant in die Rucksäcke und nach einer halben Stunde Autofahrt empfängt uns Isabel vom Eggental Tourismus mit einem offenen Lächeln am Startpunkt der Wanderung. In 45 Minuten stehen wir schon auf dem Weißhorn. Das Licht ist weich, die Luft klar und auf dem Gipfel reicht der Blick in alle Richtungen über die Berge. Beim Abstieg sagt Isabel: „Südtirol hat das Beste aus beiden Ländern – das Dolce Vita aus Italien und das deutsche Organisationstalent.“ Langsam geht der Vollmond über dem Horizont auf und der Himmel färbt sich pastellblau und rosa.
Durch den verwunschenen Karer Wald ins Felsenlabyrinth
Mit einem Strahlen begrüßt uns Hotelmanagerin Katrin beim Frühstück. Am Buffet warten Saftpresse, frisches Obst und eine Eierstation. Wir lassen uns ein Omelette zubereiten und essen es mit einem Vinschgauer – dem typischen Südtiroler Fladenbrot aus Roggen-Weizen-Sauerteig und Kümmel. Auf der großen Terrasse, umgeben von Blumen, sitzen wir unter einem Sonnenschirm, trinken unseren ersten italienischen Kaffee des Tages und freuen uns auf die Wanderung zum Felsenlabyrinth.
Über einen verwunschenen Waldweg im Karer Wald, wo die Pflanzen größer wirken als wir und die Fliegenpilze aus der Erde schießen, erreichen wir nach einer Stunde die haushohen Felsbrocken des Felsenlabyrinths. Hier gab es einst einen gewaltigen Bergsturz vom Latemar. Wir kraxeln über große Steine, schlüpfen durch schmale Felsspalten – immer begleitet vom Latemar-Massiv, das majestätisch in den Himmel ragt.
Ein Muss jeder Wanderung in den Bergen ist natürlich das Einkehren auf einer Alm. Unsere müden Beine tragen uns zu Latmor Alm, umgeben von Kuhglocken und mit Blick auf das Rosengartenmassiv. Auf den Tisch kommen cremige Erbsensuppe, Wildkräutersalat und Bruschetta mit Heumilch-Mozzarella und Bergbasilikum. Alles stammt von kleinen Bauernhöfen aus der Region, liebevoll angerichtet und mit frischen Bergkräutern getoppt. Unsere Regel: Ohne Kaiserschmarrn ist es keine richtige Wanderung. Und tatsächlich, der Kellner hat nicht zu viel versprochen: Hier gibt es den besten Kaiserschmarrn im Tal. Außen karamellisiert, innen fluffig – wir können zustimmen.
Im Hotelpool genießen wir die letzten Sonnenstrahlen des Tages. Wir beobachten einen älteren Mann auf einer Liege. Er stützt sich auf seinen Gehstock und nimmt mit einem zufriedenen Lächeln seine Umgebung wahr. Auch sein Blick sagt: Alles ist gut!