Kleine, geile Firmen #7 – Herr und Frau Rio aus dem Westend
Vielleicht ist euch beim Schlendern im Westend schon das Gemeinschaftsbüro in der Parkstraße aufgefallen. Zwei der jungen Gründer, die dort fleißig hinter den Glasscheiben arbeiten, sind Laura Sirch und Sascha Wellm. Zusammen haben sie vor einem Jahr das erste und einzige Risographiestudio in München eröffnet. Seit dieser Woche gibt es auch einen Online-Shop. Wir haben die beiden Münchner besucht und nachgefragt.
Herr und Frau Rio klingt wie ein Ehepaar. Seid ihr verheiratet?
Sascha: Nein, wir haben uns auf der Hochschule München kennengelernt, wo wir beide Kommunikationsdesign studiert haben. Irgendwann wollte Laura auch zu den coolen Kids gehören. Dann haben wir mit Max Schachtner von Daily Dialoque zu dritt abgehangen. Das war 2010.
Und seit wann gibt es euch dann als Herr und Frau Rio?
Laura: Seit etwa einem Jahr. Da saßen wir auf einer Parkbank und haben eine Liste geschrieben mit Namen, die alle noch doofer waren.
Welche denn?
Sascha: Das wollen wir nicht sagen!
Laura: Unser Name leitet sich von der Firma, die Risographen herstellt ab. Riso - aber das ist ein Eigenname, den wir leider nicht benutzen dürfen. Pragmatisch haben wir das "S" rausfallen lassen. Rio. Klingt ja schön nach Sommer. Ist auch nicht verkehrt.
Risograph ist das Stichwort. Was ist das denn genau?
Laura: Es ist ein Schablonendruckverfahren. Für die Leute, die Siebdruck kennen, ist es einfacher zu verstehen. Man hat eine Masterfolie, die thermisch durchlöchert wird. Da hat man dann eine Schablone, die wie das Sieb im Siebdruck funktioniert. Die wird wiederum auf eine rotierende Drucktrommel gespannt. Durch Druck von Innen wird Farbe durch die Schablone gedrückt. Das bedeutet auch, dass du pro Farbe einen Druckvorgang hast und pro Motiv eine Masterfolie anfertigen musst. Deswegen ist es schlauer hohe Auflagen zu drucken.
Wir drucken also eigentlich lauter Unikate. Man sieht sofort, dass man etwas besonderes vor sich hat.
Klingt aufwändig. Was sind denn dann die Vorteile zu normalen Druckverfahren?
Sascha: Der Risograph verbraucht viel weniger Energie. Mit der Energie von fünf Minuten föhnen könnten 3.000 Flyer gedruckt werden. Es ist also ein sehr nachhaltiges Verfahren. Außerdem produzieren wir die Produkte lokal und mit Herz. Das ist schon eine andere Atmosphäre als bei einer Online-Druckerei. Noch dazu ist die Ästhetik des Riso super schön und speziell: Wir arbeiten, wie im Siebdruck, mit sehr kräftigen, leuchtstarken Farben, die man im Digitaldruck so nicht hinbekommt. Wir können sogar in Gold drucken und bald auch in Neon! Bei der Risographie hat man bei den einzelnen Druckfarben immer einen leichten Versatz, und der Druck an sich wird immer ein bisschen unregelmäßig. Wir drucken also eigentlich lauter Unikate. Man sieht sofort, dass man etwas besonderes vor sich hat.
Euer Herz hättet ihr ja auch in eine andere Druckerei mitbringen können. Warum habt ihr euch selbstständig gemacht?
Sascha: Wir saßen am Hohenzollernplatz Weinschorle-trinkend in der Sonne. Ich war ein bisschen gelangweilt, weil ich viel Zeit hatte. Das ist zwar geil, aber dann merkt man, jetzt könnte auch mal wieder was passieren. Also haben wir rumgesponnen. Laura hatte gerade ein Jahr bei einer Agentur gearbeitet.
Laura: Das war gut und ich habe viel gelernt. Aber für mich war das doch nicht ganz das Richtige. Wir haben uns dann Utopien ausgedacht. Zu dieser Zeit haben wir festgestellt, dass es noch kein Risographiestudio in München gibt. So kam die Idee ein eigenes aufzumachen - in der Sonne mit der Weinschorle. Zuerst war es eben eine Utopie, aber wir sind jung, haben keine Kinder, keine Katze und wohnen in einer WG - wenn man etwas starten will, was man theoretisch gegen die Wand fährt, dann jetzt!
Ich war ein bisschen gelangweilt, weil ich viel Zeit hatte. Das ist zwar geil, aber dann merkt man, jetzt könnte auch mal wieder was passieren.
Und seid ihr gegen die Wand gefahren?
Laura: Nein, das haben wir noch nicht geschafft. Das wäre auch nicht so einfach. Wir haben nämlich verschiedene Standbeine. Wir lieben dieses Handwerk und es ist uns sehr wichtig, dass unsere Kunden zufrieden sind. Wer Flyer, Visitenkarten, Plakate und andere schöne gedruckte Sachen will, der ist bei uns genau richtig. Außerdem haben wir unsere eigenen Produkte.
Sascha: Zum Beispiel selbst gestaltete Postkarten. Neu sind die Ledernotizbücher. Die haben wir selbst entwickelt: Format, Material, Bindungsart - alles halt. Bei unseren Produkten können wir uns kreativ austoben. Alles Handarbeit: made in munich.
Laura: Außerdem geben wir Workshops. Das ist noch der soziale Aspekt, der uns wichtig ist. Auf dem Urban Festival haben wir zwei Druck-Workshops gegeben. Mit acht Leuten und haben Postkarten entworfen und umgesetzt. Das hat uns und den Teilnehmern viel Freude bereitet.
Vor ein paar Wochen habt ihr auch eure erste Illustrations-Edition herausgebracht.
Sascha: Wir haben damit versucht Kreativen und Kulturschaffenden aus München und Umgebung eine Plattform zu geben, um ihre Arbeit publik zu machen und sich gegenseitig kennenzulernen und zu netzwerken. Wir haben krass Bock darauf, einen Stein ins Rollen zu bringen und dann zu schauen, was passiert. Wir haben das Thema vorgegeben und es war super spannend zu sehen, was den Leuten zu diesem Konzept einfällt. Vielleicht ergeben sich ja nun weitere Kollaborationen.
Laura: Der Plan ist auf jeden Fall aufgegangen: Kreative Menschen aus München zusammenzubringen. Viele haben sich untereinander noch nicht gekannt. Es sind alles Perlen, aber um ein paar Namen zu sagen: Jessica Dettinger, Martin Fengel und Sebastian Schwamm. Alles erfolgreiche Gestalter, bei denen wir uns gedacht haben, geil, dass sie bei der Edition von einer kleinen Firma mitmachen. Insgesamt waren es 38 Kreative. Die Edition kann auch in unserem Onlineshop erstanden werden - die nächste ist auch schon in Planung.
Herr und Frau Rio | Parkstraße 19, 80339 München | Mehr Info
München legt gern selbst Hand an. Fast jede Woche gründet sich hier eine neue Firma, wird ein neues Label vorgestellt oder neues Produkt lanciert. Wir stellen euch die kleinen, geilen Firmen der Stadt vor. Die Bedingungen sind simpel. Klein müssen sie sein, das heißt weniger als zehn Mitarbeiter und natürlich: Geil.