Kleine, geile Firmen #44 – Sportklamotten aus Fischernetzen von crystal flow
Wenn Birgitta erzählt, könnte man meinen, eine eigene Firma zu gründen sei das Logischste und Naheliegendste der Welt. Wenn man nicht findet, was man gerne hätte, macht man es einfach selbst. In Birgittas Fall waren das Bikinis zum Surfen, die richtig gut halten und auch noch schön aussehen. Für ihre eigene Klamotten-Marke hatte sie nur zwei Bedingungen: faire Herstellung und die Verwendung wiederverwerteter Materialien. Aus diesem Ansatz heraus entstand crystal flow – gut sitzende Sport- und Surfbikinis, Leggings und Sport-BHs aus recycelten Fischernetzen. Und München ist um eine wunderbare, kleine geile Firma bereichert.
Warum gerade Fischernetze?
Birgitta: Der Hintergedanke ist natürlich, dass dabei die Meere gereinigt werden. Es gibt tote Fischernetze – Geisternetze heißen sie – die im Meer herumschwimmen, weil sie von Fischerbooten verloren oder auch zurückgelassen werden. Zurückgelassen vor allem bei illegalem Fischfang – wenn für die Boote Gefahr droht erwischt zu werden, schneiden sie die Netze einfach ab. Das ist natürlich total schlecht für die Unterwasserwelt, weil sich darin Tiere verhängen können und riesige Müllteppiche entstehen.
Mir ist klar, dass damit nicht das ganze Meer gereinigt wird, aber es ist zumindest ein kleiner Anfang.
Wo bekommst du die Netze her?
Birgitta: Es gibt eine Organisation, die diese Fischernetze aus den Meeren taucht. In Ljubljana wird daraus eine Faser gewonnen, die dann von einer Firma in Italien zu Econyl – so heißt der Stoff – aufbereitet wird. Mittlerweile verwenden den auch mehrere große Firmen. Mein Plan ist es, bald selbst bei einer der Bootstouren dabei zu sein und Fischernetze zu tauchen. Wiederverwerten ist logischerweise immer besser als etwas Neues zu nehmen, ob Plastikflaschen oder was auch immer. Fischernetze ergeben aber natürlich genau den passenden Kreislauf für Bikinis. Mir ist klar, dass damit nicht das ganze Meer gereinigt wird, aber es ist zumindest ein kleiner Anfang.
Was bedeutet Mode für dich?
Birgitta: Ich bin immer schon modeaffin gewesen. Selber habe ich nie wirklich viel gekauft und wenn dann Dinge, die mir wirklich gefallen haben und lange halten. Daher habe ich auch schon immer sehr auf das Material geachtet. Vor allem bei Sportbekleidung ist mir das wichtig. Ich gehe viel surfen und im Winter wahnsinnig gerne snowboarden.
Wie fängt man an, wenn man auf einmal die Idee bekommt, Mode zu machen?
Birgitta: Ungefähr vor zweieinhalb Jahren habe ich zum ersten Mal darüber nachgedacht, dass ich selber Bikinis machen möchte. Ich habe damals einfach nie das gefunden, was ich gerne gehabt hätte: Sportbikinis, die richtig gut im Wasser halten. Ich hätte die Idee aber nicht ohne faire Herstellung und recycelten Material umgesetzt. Irgendwann war ich Leggings kaufen und der Verkäufer meinte, die wären recycelt und da habe ich mir gedacht: Das mache ich auch!
Dann habe ich erst mal ewig nach dem passenden Stoff gesucht. Am Anfang war es ganz viel recherchieren und googeln. Ich bin auch auf Stoffmessen gegangen und stand ohne Firma und Visitenkarte ein bisschen verloren da. Auch eine Produktionsstätte zu finden ist richtig schwer, wenn man nicht in großen Mengen produziert. Den Stoff Econyl habe ich dann im Internet entdeckt, genauso wie die Produktion.
Ich habe damals einfach nie das gefunden, was ich gerne gehabt hätte: Sportbikinis, die richtig gut im Wasser halten.
Du sagst ohne faire Produktionsbedingungen hättest du Crystal Flow gar nicht erst gestartet. Wie produzierst du?
Birgitta: Die Produktionsstätte ist in Serbien, in Novi Sad. Gerade produzieren sie eine neue Kollektion in neuen Farben. Novi Sad ist gar nicht so weit weg, ich bin selbst schon hingeflogen. Die Arbeiter verdienen aus deutscher Perspektive natürlich nicht wahnsinnig viel, aber im Verhältnis für dort eben schon ganz gut – besser als andere. Insgesamt findet die ganze Produktion relativ nah an Deutschland statt. In Ljubljana wird die Faser gewonnen, in Italien der Stoff hergestellt und von da lasse ich ihn direkt in die Manufaktur in Serbien schicken.
Sind das deine Designs?
Birgitta: Die Designs hatte ich eigentlich von Anfang an im Kopf, weil es ja Sachen waren, die ich selbst gerne gehabt hätte. Leider kann ich aber überhaupt nicht zeichnen. Deshalb hilft mir eine Bekannte von mir, die als Grafikdesignerin die Vorstellung aus meinem Kopf zu Papier bringt.
Für wen sind deine Klamotten gemacht und wo kann man sie kaufen?
Birgitta: Meine Klamotten tragen vor allem Frauen, die sportlich sind, auf die Umwelt achten, hochwertige Materialien schätzen und denen ein hoher Tragekomfort wichtig ist. Leute, die sehen, dass das Produkt durchdacht ist. Zu kaufen gibt es die Klamotten im Onlineshop von crystal flow und auch über andere nachhaltige Onlineshops. Ein Bikini kostet um die 80 Euro, die Leggings auch. Ein Sport-BH liegt bei 49 Euro.
Wenn man selber etwas macht, kann man auch selbst besser Einfluss nehmen und ist nicht von seinem Arbeitgeber abhängig. Man kann Dinge unterstützen, die man gut findet.
Was sind deine Pläne für die Zukunft?
Birgitta: Der Traum ist natürlich das Vollzeit zu machen, bisher arbeite ich an crystal flow zwei Tage die Woche und abends neben meinem Job. Demnächst werde ich ein paar neue, ein bisschen abgewandelte Produkte rausbringen und die Farben, die bisher hauptsächlich Rosa, Pink und Schwarz waren, durch gedecktere Farben ergänzen. Im Mai sollen die neuen Bikinis da sein.
Mein Hintergedanke bei dem Ganzen ist auch ein bisschen: Wenn man selber etwas macht, also zum Beispiel eine Firma hat, kann man auch selbst besser Einfluss nehmen und ist nicht von seinem Arbeitgeber abhängig. Man kann Dinge unterstützen, die man gut findet. In meinem Fall wären das Umweltschutz und Arbeitsbedingungen. Ich fände es zum Beispiel toll, wenn ich mit der Sportmarke in Zukunft irgendwann Mädchen irgendwo auf der Welt unterstützen könnte, die gerne Sport machen würden, aber nicht die Möglichkeiten dazu haben. Durch Ausstattung, Camps oder indem man Projekte unterstützt. Das ist jetzt alles weit weg, aber eben schon eine Idee, die ich habe.
München legt gern selbst Hand an. Fast jede Woche gründet sich hier eine neue Firma, wird ein neues Label vorgestellt oder neues Produkt lanciert. Wir stellen euch die kleinen, geilen Firmen der Stadt vor. Die Bedingungen sind simpel. Klein müssen sie sein, das heißt weniger als zehn Mitarbeiter und natürlich: Geil.