Kleine, geile Firmen #28 – Handgemachte Ledertaschen von Günstling
Der Großvater von Michael Mayer eröffnete vor ungefähr hundert Jahren eine Sattlerei im Schlachthof. Damals war die Firma eine der ersten Anlaufstellen für Pferdegeschirre und Verkaufsstandl – von der Wiesn bis zum Viktualienmarkt. Michael stieg vor fünf Jahren, damals 23, bei der Sattlerei ein, aber sein großer Traum war es eigentlich immer, Herrenhandtaschen zu nähen.
Heute lebt er mit seiner Frau Esra, 27, in Untergiesing, gegenüber vom Schyrenbad – hier haben die beiden letzten Sommer eine Garage in ihrem Haus angemietet, um diese zu einer Werkstatt umzubauen. Seit 2014 schwirrt die Idee in den Köpfen der beiden, aber jetzt – mit ihrem neuen Showroom, dem perfekten Leder-Lieferanten und ganz neuen Ideen, steht ihr Baby namens Günstling. Michael näht und Esra kümmert sich um alles andere: Fotos, Kundenkontakt, Mails, Social Media, Lieferanten, Einkauf, Vertrieb und Marketing. Wir haben uns mit ihr in der wunderschönen, neuen Werkstatt getroffen.
Esra, wie kam es zu eurer kleinen Firma?
Esra: Als ich Michael kennengelernt habe, war ich noch im Einzelhandel. Er hat mir von seiner Idee erzählt und ich habe ihn anfangs dafür ausgelacht, weil ich wusste, wie schwer es ist, Taschen zu machen und wie viele davon träumen. Und letztendlich stehen wir jetzt hier in unserer eigenen Werkstatt und sind unserem Traum ein ganz schön großes Stück näher gekommen.
Anfangs hat Michael zuerst einmal Taschen aus PVC genäht, um keine Materialien zu verschwenden. Die ersten Entwürfe habe ich heute noch, weil sie ja aus Kunststoff und damit perfekt für die Isar sind. Im zweiten Schritt haben wir dann Kunstleder verwendet und die Taschen innen mit Baumwolle ausgekleidet, das kam gut an und war eine gute Übung fürs Nähen. Und seit letztem Jahr haben wir für uns die besten Materialien und das beste Leder herausgesucht!
Welches Leder verwendet ihr denn für eure Taschen?
Esra: Alle unsere Taschen sind dem selben Büffel-Leder, das wir von einer Gerberei aus der Nähe von Freiburg beziehen. Anfangs haben wir das Leder dort noch selbst abgeholt, mittlerweile wird es geliefert. Die Taschen sind nicht beschwert, die stehen von alleine so – das ist nur das gute, feste Leder. Uns war vor allem wichtig, dass die Taschen langlebig sind. Natürlich kommen mit der Zeit auch Kratzer und Patina in das Leder – damit sehen die Taschen aber nach ein paar Jahren oft noch besser aus als ganz neu.
Die Büffel kommen aus der Türkei und aus Portugal. Die Gerberei verarbeitet das Leder allerdings komplett in Deutschland. Unser Traum ist es, dass wir unser Leder irgendwann aus Italien beziehen – wir sind totale Italien-Fans und werden unseren nächsten Gardasee-Urlaub mal dazu nutzen, verschiedene Gerbereien zu besuchen. Dann hätten wir auch mehr Farben im Sortiment, das wäre das i-Tüpfelchen für die nächste Kollektion.
Und wie geht es dann weiter? Wie entstehen eure Taschen?
Esra: Michael hat die Designs im Kopf, er näht einfach drauf los. Und ich muss sagen, er ist wahnsinnig perfektionistisch mit seiner Arbeit. Wenn eine Naht nicht stimmt, sieht er das sofort. Anfangs hat er für eine Tasche noch ungefähr zehn Stunden gebraucht, mittlerweile näht er so einen Shopper in vier Stunden – der ist aber auch am wenigsten Arbeit.
Wir haben nichts auf Lager, jede Tasche wird erst nach der Bestellung angefertigt, um auf Wünsche einzugehen. Manche wollen den Henkel kürzer oder länger, wir machen aber auch komplette Sonderanfertigungen. Und wenn man irgendwelche Änderungen haben möchte, kann man natürlich jederzeit zu uns in die Werkstatt kommen! Das ist eben der Unterschied zu großen Herstellern.
Wer kauft so bei euch ein – und wie kommen die Leute auf euch?
Esra: Letztes Jahr war ein Artikel über uns in der SZ – es ging um Münchner, die lokale Geschäfte betreiben – und dadurch kamen echt einige Leute. Auch ein älterer Herr, der extra mit der Regionalbahn angereist ist, um sich einen Rucksack von Michael machen zu lassen. Wir haben aber auch Kunden, die unsere Taschen bei jemand anderem gesehen haben und dann zu uns kommen – das ist natürlich das schönste Kompliment!
Und wie seid ihr zu eurer tollen Garage hier gekommen?
Esra: Wir wohnen schon länger in diesem Haus, letztes Jahr im Sommer ist die Garage frei geworden und wir haben sofort zugeschlagen. Ich glaube, dass das früher eine Autowerkstatt war – weil es ein Keller auf zwei Ebenen ist. Kurz vor Weihnachten haben wir auf eigene Faust angefangen, sie umzubauen. Die Werkstatt ist unser gemeinsames Hobby geworden.
Besonders wichtig war uns der Raum hier oben – als Eingansgbereich und Showroom. Hier soll man die Taschen angucken können, auch mal das Leder in echt anfassen und einen Kaffee trinken mit uns. In echt kommen unsere Taschen natürlich noch besser rüber als online, deshalb brauchten wir diesen zweiten "echten" Kanal dringend.
Was sind eure Pläne? Wo wünscht ihr euch hin?
Esra: Gerade gibt es unsere Taschen und Rucksäcke ja nur in Schwarz und Braun, im Sommer sollen noch Puder-Töne dazukommen, für den Herbst planen wir was mit Beere. Außerdem möchten wir unsere Accessoires um Handyhüllen und Laptop-Taschen erweitern und haben gerade angefangen auch Kinderschuhe zu produzieren. Das Ganze läuft unter dem Namen Sprössling – wir kamen darauf, weil wir für die einjährige Tochter eines befreundeten Paares ein Geburtstagsgeschenk gesucht haben.
Unser Fokus liegt zudem auf noch mehr Herrensachen – männlichere Rucksäcke, mehr Weekender. Ich finde es echt schade, dass es so wenig schöne Herrenhandtaschen gibt – vor allem aus gutem Leder. Anfang Mai sind wir beim New Heritage dabei – und irgendwann hoffentlich auch beim Kauf Lokal im Hirmer!
Günstling Werkstatt & Showroom | Claude-Lorrain-Straße 23, 81543 München | Öffnungszeiten auf Anfrage: [email protected] | Shopper für 250 Euro, Weekender 320 Euro, Rucksack für 450 Euro | Mehr Infos
München legt gern selbst Hand an. Fast jede Woche gründet sich hier eine neue Firma, wird ein neues Label vorgestellt oder neues Produkt lanciert. Wir stellen euch die kleinen, geilen Firmen der Stadt vor. Die Bedingungen sind simpel. Klein müssen sie sein, das heißt weniger als zehn Mitarbeiter und natürlich: Geil.