Monaco Franzi: Immer dieses Gschiess mit dem Fitnessstudio

© Monaco Franzi

Unsere Kolumnistin Monaco Franzi lebt, liebt und leidet in Schwabing. Hier berichtet sie von den Irrungen und Wirrungen ihres (Liebes-)Lebens und erzählt, warum sie München meistens schätzt und manchmal hasst. Heute: Immer dieses Gschiess mit den Fitnesstudios.

Ich stehe vor dem Spiegel und blicke skeptisch auf mein Gegenüber. Zum ersten Mal in diesem Sommer habe ich den Bikini aus den Untiefen meiner Schublade gefischt und mir übergestreift. Der Bikini spannt und zwickt. Für einen tiefen, mitleidswürdigen Seufzer hole ich tief Luft und peng! – der Verschluss explodiert. Das Oberteil fällt wie ein nasser Sack vor mir auf den Boden.

„Morgen mal in die Fitte, Schatzi?“, meint meine Mitbewohnerin, die mit interessiertem Blick die Szene von der Couch aus beobachtet und meine letzten Müslivorräte schlürft. Jetzt bin ich eigentlich die Erste, die den Finger hebend aufklären würde: Beach Body ready? Klar, nimm Deinen Körper und geh an den Strand – ganz einfach. Die perfekte Strandfigur – Buhhh!

Nein, in der Parallelwelt Fitnessstudio leugnet man die Existenz der anderen Trainierenden, man ist Einzelkämpfer.

Aber es hilft ja nichts – der Bikini war teuer, viel zu teuer, um ihn in die Mottenkiste zu verbannen. Abgesehen davon hab ich natürlich kurz nach Neujahr in einem Anfall akuten Tatendrangs ein Jahresabo im Fitnessstudio abgeschlossen #VorsatzOpfer. „Vielleicht geh ich jetzt gleich ins Fitness!“ Voll Enthusiasmus hebe ich das Bikini-Oberteil auf und schleudere es in Richtung meiner schlürfenden Mitbewohnerin, wo es in der Müsli-Schüssel landet. „Eh nur eine Schüssel voll leerer Kohlenhydrate ...“ – ich klinge immerhin schon wie jemand, der leidenschaftlich gerne in die Fitte geht.

Im Fitnessstudio meines Vertrauens bzw. meines Knebelvertrags, merke ich schnell, welch verwirrende Parallelwelt ich betreten habe – eigentlich ein Wunderland für eine Sozialstudie. Zwar teilen alle Fitnessstudiogänger das gleiche Ziel: schlanker, stärker, durchtrainierter werden, würden sich aber im Leben nicht gegenseitig grüßen oder gar miteinander reden. Nein, in der Parallelwelt Fitnessstudio leugnet man die Existenz der anderen Trainierenden, man ist Einzelkämpfer.

Ohrstöpsel rein, Schweiß raus, Bauchfett weg – keine Zeit für Ablenkung. (Ausgenommen einiger Männer, die jedem Popo nachschauen, der sich an ihnen vorbei schiebt). Auf dem Weg zu den Warm-Up-Geräten probiere ich trotzdem mal die Konvention zu brechen, ich Fitness-Rebel. Ich nicke also freundlich in die Runde „Hi! Griaseich! Läuft’s gut? Vom Salat schrumpft der Bizeps ... haha“ – leere Gesichter, keine Reaktion.

Ich fühle mich zunehmend unwohl in meinem nicht-matchenden grau-melierten Shirt, das ich eigentlich zum Schlafen anziehe und meiner Dreiviertelleggins.

Eingeschüchtert von der kalten Missachtung meiner Mittrainierenden ziehe ich mich auf meinen Stepper zurück und absolviere ein intensives Aufwärmprogramm. Okay, eigentlich schaue ich eine halbe Stunde Fernsehen und bewege gelegentlich meine Arme und Beine antizyklisch. Pow! Nächster Halt lowcarbfitnessbodyqueen – 100 k Followers auf Instagram – Minimum!

Verzückt von meinem zukünftigen Fame versuche ich ein sportives Selfie. Schweißüberströmt mit hochrotem Kopf muss ich nach dem Training vielleicht ein, zwei, drei Filter drüber legen, aber dann geht das schon. Vorher aber erst noch zum Kurs. Schließlich kann ich nicht nach einer halben Stunde wieder unter die urteilenden Augen meiner Mitbewohnerin treten.

Angetan schaue ich auf den Kursplan: Body Combat, Boot Camp, Iron System, Vinyasa Flow Yoga ... Lecko mio! Ich habe zwar keine Ahnung, was Body Pump genau ist, aber der Kurs geht nur eine halbe Stunde – fair enough. Im Fitnessraum wird schon fleißig herumgewuselt. Überall um mich herum werden Steps, Matten, Langhanteln und Gewichte zusammengehamstert, als ginge es um die letzte Einkaufsmöglichkeit vor einem langen Wochenende.

Der Kurs scheint der Treffpunkt weiblicher Mittzwanziger zu sein – Vereinsfarbe: Neon. Sogar die Schnürsenkel der brandneuen Nike free Sneakers sind farblich auf den Sport-BH, der gelegentlich hervorlugt, abgestimmt. Ich fühle mich zunehmend unwohl in meinem nicht-matchenden grau-melierten Shirt, das ich eigentlich zum Schlafen anziehe und meiner Dreiviertelleggins.

Während die Neon-Queens gemeinsam den Countdown brüllen, frage ich mich, warum wir uns hier eigentlich auf Englisch unterhalten.

Ich schüttele die Gedanken ab – alles Äußerlichkeit! Was zählt, ist das Training. Der Coach auf der kleinen Tribüne stellt sich als „Rochelle“ vor – unter dem Cropshirt Bauchmuskeln aus Stahl. „Are you ready to rumble?“ brüllt sie verheißungsvoll in ihr Headset. „Freilich!“, denk ich und die wummernde Musik gibt den Takt vor.

Die neonfarbenen Fitnessqueens haben sich auf ihre Langhantel zehn Kilogewichte auf jede Seite gehievt und pressen das Ding nach oben als wären die Eisenstangen aus Gummi. Obwohl die meisten kleiner und deutlich schmaler als ich sind, schaffe ich gerade mal zweieinhalb Kilo recht uns links. Ich höre meine Wirbelsäule ungesund knacken.

Nach fünf Minuten Kniebeugen mit der Eisenstange im Nacken bin ich komplett durchgeschwitzt. Rochelle gibt noch mehr Gas „Faster! You know you can do it! Don’t give up! Countdown Ladies!“. Während die Neon-Queens gemeinsam den Countdown brüllen, frage ich mich, warum wir uns hier eigentlich auf Englisch unterhalten.

Rochelle kommt gebürtig unüberhörbar aus dem sächsischen – nicht dem angelsächsischen Raum. Als hätte sie meine Sprachkritik gehört, baut sich Rochelle plötzlich vor mir auf „Tiefer! Tiefer mit dem Po!“, na geht doch – also sprachlich jetzt. Körperlich nicht. „Geht nicht …“, sage ich. Rochelle kennt kein Erbarmen und drückt mich mit ihren Armen nach unten.

Aus nicht ganz nachvollziehbaren Gründen will ich, dass Rochelle mich mag. Neonfarbene Schnürsenkel wären bestimmt ein Anfang.

Meine Kniescheiben ächzen – ich habe einen Bandscheibenvorfall oder Schlimmeres. Die letzten fünf Minuten wird „entspannt“. Rochelle gibt Anweisung seine Beine und Hüften so zu verdrehen, dass jede Kamasutra-Stellung ein Klacks daneben ist. Die Neon-Girls folgen strikt den Anweisungen. Rochelle ist der Messias – der Messias der stahlharten Bauchmuskeln.

Ich frage mich, was passieren würde, wenn sie in ihrem lieblichen sächsischen Akzent „Slap yourself in the face“ in ihr Headset rufen würde. Ich glaube, die Antwort zu wissen. „You made it!“, Rochelle wirft die Arme in die Luft und fist-bumped mit den Neongirls in der ersten Reihe – mit mir nicht. Autsch. Anerkennung in High-Five-Form von Rochelle muss man sich erst verdienen. Aus nicht ganz nachvollziehbaren Gründen will ich, dass Rochelle mich mag. Neonfarbene Schnürsenkel wären bestimmt ein Anfang.

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