Das München-ABC: U wie Unzufriedenheit

© Simone Mauer

München ist wahnsinnig schön – und manchmal auch ein bisschen langweilig, spießig und streng. Zu sauber und zu geregelt. Wenn dir auch jedes Mal auf der Isar-Brücke die Knie weich werden und dich aber nichts mehr aufregt als unsere Öffnungszeiten, Tanzverbote und Mutlosigkeit, dann bist du hier genau richtig. In unserem ABC schreiben wir auf, was wir an dieser Stadt unendlich gut, aber auch ziemlich beschissen finden. Diesmal: Die Unzufriedenheit mit der Stadt, die wir ja alle kennen.

Es macht Spaß sich zu beschweren, wenn man wie die Made im Speck lebt. Das haben die Bayern, vielleicht auch in Form des altbekannten "granteln" wohl im Blut. Gerade in einer Stadt wie München ist es en vogue unzufrieden zu sein – mit sich selbst, mit der Stadt, mit der Mentalität, mit den Mietpreisen, mit der fehlenden Abwechslung, mit zu wenig Clubs und zu viel Polizei und so weiter und so fort. Das Einzige worüber sich die Menschen hier dann doch selten bis gar nicht beschweren sind das Bier und die Berge. Klischee, ja absolut.

Gerade in einer Stadt wie München ist es en vogue unzufrieden zu sein.

Natürlich gibt es gute Gründe und Rechtfertigungen, warum man sich über obig genannte Umstände aufregen und diese anprangern kann. Klar, ist hier der Wohnraum viel zu teuer und natürlich wäre es nicht schlecht, wenn die Läden länger offen hätten und die U-Bahnen die ganze Nacht fahren würden, wenn weniger Schickeria und mehr Alternative das Stadtbild und die Freizeitangebote prägen würden, wenn sich insgesamt mehr tun würde.

Und natürlich könnte/müsste/sollte man in dieser Stadt Einiges ändern und in die Hand nehmen. Die Stadt könnte mehr fördern, viele Gebäude selbst mitten in der Innenstadt stehen leer – fast eine Sünde! Da ist ein bisschen unzufrieden sein mit den momentanen Umständen schon angebracht. Darüber sollte man aber nicht das Potenzial einer Stadt vergessen oder die Menschen, Ecken und Orte, die gerne mal übersehen werden, weil man hier gezielt nach ihnen suchen muss.

Klar, ist hier der Wohnraum viel zu teuer und natürlich wäre es nicht schlecht, wenn die Läden länger offen hätten.

Und wenn man sie gefunden hat, machen so einige Vorwürfe, die an München und seine Bewohner herangetragen werden, nicht immer Sinn. Außerdem brauchen wir uns auch nichts vormachen: München wird immer München bleiben, ist nicht so melancholisch wie Wien oder wild und versaut wie Berlin, nicht so temperamentvoll wie Barcelona. Das etwas Dörfliche und ein klein wenig Spießigkeit wird wohl immer mit dabei sein. Die Frage ist, ob wir damit leben können und wollen oder nicht.

Außerdem: Ist das Gras auf der anderen Seite nicht immer grüner? Gibt es nicht in jeder Stadt und an jedem Ort irgendwas, was noch nicht perfekt ist, was sogar richtig nervt und problematisch sein kann? Und wenn man wirklich mit mehr Komponenten unzufrieden als zufrieden ist, sollte man dann nicht lieber selbst was verändern?

Gibt es nicht in jeder Stadt und an jedem Ort irgendwas, was noch nicht perfekt ist, was sogar richtig nervt und problematisch sein kann?

Den Wohnort wechseln, die Beziehung beenden, sich einen neuen Job suchen. Vielleicht reicht auch ein wenig Abstand manchmal aus um alles wieder in einem neuen Licht zu sehen. Sich trotzdem eingestehen, dass man an gewissen Dingen noch arbeiten kann und will, weil eben noch nicht alles passt, die Zufriedenheit aber letztendlich überwiegt und deswegen alles noch Sinn ergibt.

Und wenn die Unzufriedenheit beständig wächst und Münchens heile Welt und Leistungsdruck, die Oberflächlichkeit und das manchmal erdrückende Bestreben nach Perfektion zu groß wird, besteht immer noch die Möglichkeit wegzuziehen. Das sollte man dann vielleicht einfach mal machen.

Zu meiner eigenen Überraschung habe ich mich dann nach meinem spießigen, langweiligen und definitiv überteuerten München mit den vielen Schnöseln gesehnt.

Ich habe mal neun Monate auf Maui verbracht. Das war zweifelsohne ziemlich geil und ich war danach extrem unzufrieden mit meiner Heimat München. Hauptsächlich, weil ich nach fast einem Jahr erstmals wieder Temperaturen unter zehn Grad ertragen musste und ich vor Sehnsucht nach dem strahlend blauen Pazifik fast zerflossen bin. Aber auch die Lebenseinstellung der Menschen ist mir ziemlich abgegangen, das entspannte in den Tag hineinleben und nicht irgendwas darstellen müssen.

Dann hat es mich für zwei Jahre nach Wien verschlagen. Ich habe mit vielen Menschen gesprochen, die die Stadt lieben und ich habe mich immer gefragt, was falsch mit mir ist, weil ich mich dort nie wohl gefühlt habe. Es ist einfach dieses Gefühl, dass sich bei mir nicht eingestellt hat. In Wien war mir der Wind im Winter zu rauh, die Grundstimmung teilweise zu bedrückend und irgendwas hat einfach gefehlt. Das ist aber nur mein persönliches Empfinden und wird von tausenden von Menschen ganz anders wahrgenommen.

Das Gefühl daheim zu sein war halt nicht da. Zu meiner eigenen Überraschung habe ich mich dann nach meinem spießigen, langweiligen und definitiv überteuerten München mit den vielen Schnöseln gesehnt. Seitdem bin ich nicht mehr so streng mit meiner Stadt und weniger unzufrieden mit München. Denn ich weiß, ich hab ihm auch viel zu verdanken.

Zurück zur Startseite