Warum kennt keiner meiner Freunde den Jazzclub Unterfahrt?
In Print-Zeitschriften gehört es dazu, dass der Herausgeber auf der ersten Seite die Stimmung, Meinung oder Richtung der jeweiligen Ausgabe einfängt. Warum gibt es das auch nicht online?, haben wir uns gefragt. Denn genauso schwirren jede Woche Gefühle, Stimmungen und Meinungen durch München, die wir zwar mitbekommen, aber nirgends festhalten. Diese Kolumne ist der Platz, an dem ich all meine Gedanken zu München und dem, was mir diese Woche in der Stadt begegnet ist, sammle. Heute: Alles Gute zum Geburtstag, liebe Unterfahrt!
München als Jazz-Hauptstadt, das klingt fast wie ein Witz, wenn man es laut ausspricht. Aber es ist nun mal wirklich so, denn mit der Unterfahrt haben wir seit mehr als 40 Jahren (Happy Birthday!) einen der besten und meistbespieltesten Jazz-Clubs in der Stadt. Es weiß halt nur niemand davon – beziehungsweise niemand, der jünger als 50 ist. Was ich gar nicht böse meine, sondern eher ankreide, weil mir ein Rätsel ist, wie dieser wunderbare Ort so lange Zeit auch an mir vorbeiziehen konnte. Und wenn ich diesen Job nicht hätte, ziemlich wahrscheinlich immer noch an mir vorbeiziehen würde. Deshalb hier: Falls ihr das noch nicht kennt, geht da hin!
Ich hatte so lange Zeit keine Ahnung davon, dass sich in den Gewölbekellern vom Einstein Kultur am Max-Weber-Platz ein Jazz-Ort wie aus dem Bilderbuch befindet.
Gar nicht als Geheimtipp gemeint oder als eine Art von Schleichwerbung. Einfach, weil es ganz zauberhaft ist, hier grandiose, teilweise ehrenamtliche Arbeit geleistet wird und ich sehr hoffe, dass es die Unterfahrt noch weitere 40 Jahre gibt. Ich hatte so lange Zeit keine Ahnung davon, dass sich in den Gewölbekellern vom Einstein Kultur am Max-Weber-Platz eine krass gute Jazz-Bühne inklusive Bar, freiliegender Ziegelmauer und dunkelroten Lederhockern befindet – ein Jazz-Ort wie aus dem Bilderbuch. In Räumlichkeiten, die wirklich rar sind in München.
Aber woran liegt es, dass die Unterfahrt trotzdem so unter dem Radar fliegt? Interessieren sich die jungen Leute einfach nicht für Jazz? Schwer vorstellbar, denn von anderen Veranstaltungen und Locations kriegen wir ja auch was mit – da wäre der beliebte Jazz Jam in der Milla, die wunderbare Jazzkneipe Mister B.'s, die ganz oben auf meiner Muss-ich-hin-Liste steht oder der neue Laden The Onkel's, der gerade bei uns ums Eck in der Dachauer Straße umgebaut wird und Jazz verspricht. Letztes Jahr eröffnete das Jazzkombinat in der Tumblingerstraße und der Salon Pitzelberger im Gärtnerplatztheater hat immer donnerstags Jazz und Swing im Programm.
Jazz ist also nicht auf dem absteigenden Coolness-Ast, ganz im Gegenteil.
Jazz ist also nicht auf dem absteigenden Coolness-Ast, ganz im Gegenteil. Zudem kommen meine Freunde (die by the way alle noch nie von der Unterfahrt gehört haben!) und ich auch langsam in das Alter, in dem man ohne FOMO einen gemütlichen Abend in einer Jazzbar haben kann. Bei ein paar Drinks, guter Musik und danach geht man heim, auch wenn es erst halb zwölf ist. Oder eher schon. Kurz gesagt: Nichts, wirklich gar nichts spricht gegen einen Jazzclub als next big thing.
Also wünsche ich dir genau das zum Geburtstag, den du jetzt am Wochenende feierst, liebe Unterfahrt: Dass die jungen Leute in München dich entdecken und sowieso alle anderen auch, die dich noch nicht kennen. Denn du bist ein viel zu guter Ort, als dass man dich nicht kennen dürfte. Als dass du unbemerkt weiter im Keller vor dich hin existierst und nur Leute zu Besuch kommen, die Jahreskarten haben – und das schon seit 1978. Wie schön wäre es, wenn die Unterfahrt ein Ort für alle Altersgruppen wird? Also bleib' gesund und bleib' mal nicht unbedingt so wie du bist.