Ich will nicht in dem München der Zukunft leben
In Print-Zeitschriften gehört es dazu, dass der Herausgeber auf der ersten Seite die Stimmung, Meinung oder Richtung der jeweiligen Ausgabe einfängt. Warum gibt es das auch nicht online?, haben wir uns gefragt. Denn genauso schwirren jede Woche Gefühle, Stimmungen und Meinungen durch München, die wir zwar mitbekommen, aber nirgends festhalten. In dieser Kolumne ist Platz, um all meine Gedanken zu München und dem, was mir in der Stadt begegnet ist, zu sammeln. Diesmal: Wie wird diese Stadt in der Zukunft aussehen?
Mein Schreibwarenladen hat zugemacht. Das wäre an sich noch nicht sehr tragisch, wenn nicht auch meine Schneiderin und meine Reinigung zugemacht hätten – und im Haus nebenan das Dach ausgebaut werden und der Quadratmeter hier bald 20 Euro kosten würde. Und das alles in nur einer einzigen Straße. Ich habe das Gefühl, ich bekomme Gentrifizierung hier gerade hautnah mit. Sie passiert ein bisschen langsamer, als ich ursprünglich dachte, aber ich bin genauso machtlos wie erwartet. Ich kann nur dastehen und den Bauarbeitern zugucken, wie sie jeden Tag den Dachboden ein bisschen teurer machen.
Kommen hier jetzt die nächsten minimalistischen Architekturbüros rein, von denen es ja noch nicht genug gibt bei uns im Viertel?
Gleichzeitig frage ich mich: Was passiert denn nun mit der Schneiderei und dem Zeitschriftenladen? Kommen hier jetzt die nächsten minimalistischen Architekturbüros rein, von denen es ja noch nicht genug gibt bei uns im Viertel? Zieht ein unpersönlicher Edeka Express ein – bald gar ein Douglas? Oder bleiben die Läden einfach leer? Denn eigentlich brauchen wir sie ja nicht mehr, heißt es doch immer. Ladensterben – wir kaufen alles im Internet.
Aber so wie unser Bücherregal bald leer sein wird, weil wir alles nur noch digital haben, wird unser Stadtbild auch bald ausgestorben sein, wenn wir nicht wieder anfangen, in dieser Stadt wirklich zu leben. Das bedeutet: Den Salat beim Gemüsemann kaufen statt beim Discounter, auch wenn man einen kleinen Umweg dafür machen muss, das Buch, das man gar nicht gesucht hat, im kleinen Buchladen finden. Die Zeitung im Zeitschriftenladen holen und sich kurz mit dem Verkäufer verquatschen. Aber das alles kostet natürlich Zeit.
Wenn das München der Zukunft nur noch aus unpersönlichen Menschen besteht, die abends mit ihrem Longboard direkt ins Dachloft fahren, dann bin ich bald weg.
Ich versuche sie mir immer wieder zu nehmen, manche Leute haben sie dagegen gar nicht mehr – so wie der longboardfahrende Yuppie, der eben erst in unser Haus gezogen ist. Der in der teuersten Wohnung wahrscheinlich ziemlich selbstoptimiert lebt, aber leider nicht mal Hallo sagen kann. Wenn das München der Zukunft nur noch aus solchen unpersönlichen Menschen besteht, die in unpersönlichen Ladenbüros arbeiten und abends mit ihrem Longboard direkt ins Dachloft fahren, dann bin ich bald weg.
Aber gerade haben wir zum Glück ja noch die wunderbare Mischung aus kleinen Läden, die sich spezialisiert haben und dem Neuen, das natürlich nicht immer schlecht, aber eben anders ist. Gerade haben wir noch das Glück mit Verkäufern, die einen nicht nur abfertigen, sondern auch immer für einen kleinen Ratsch zu haben sind. Also nutzen wir sie doch. Damit wir all das Persönliche, was München, was jedes Viertel nun einmal ausmacht, solange noch erhalten können, wie es nur geht.