"Warum sprichst du als Münchner eigentlich kein Bairisch?"
In Print-Zeitschriften gehört es dazu, dass der Herausgeber auf der ersten Seite die Stimmung, Meinung oder Richtung der jeweiligen Ausgabe einfängt. Warum gibt es das auch nicht online?, haben wir uns gefragt. Denn genauso schwirren jede Woche Gefühle, Stimmungen und Meinungen durch München, die wir zwar mitbekommen, aber nirgends festhalten. Diese Kolumne ist der Platz, an dem ich all meine Gedanken zu München und dem, was mir diese Woche in der Stadt begegnet ist, sammle. Diese Woche: Das Münchner Bairisch stirbt aus.
Wenn es eine Frage gibt, die ich wirklich nicht mehr hören kann, dann ist es "Warum sprichst du eigentlich kein Bairisch?". Diese wird einem ja bevorzugt von Nicht- oder Neu-Münchnern gestellt, die selbst einen Dialekt mitbringen, also ganz verwundert sind, wenn es Städte gibt, die keinen haben. Oder in unserem Fall: nicht mehr. Und die München ausschließlich aus Pumuckl und Monaco Franze kennen – dementsprechend also denken: Die Münchner tragen immer Tracht und bestellen in eben dieser in unverständlichem Gegrummel morgens beim Bäcker "zwoa Brezn" fürs tägliche Weißwurschtfrühstück.
Sicher ist aber, dass meine Generation eine so große Sehnsucht nach eben jenem alteingessenen München hat wie keine andere.
Kann sein, dass diese Stadt einmal so war, ich habe sie so nicht mehr miterlebt. Sicher ist aber, dass meine Generation eine so große Sehnsucht nach eben jenem alteingessenen München hat wie keine andere – und das sieht man sowohl an dem Erfolg von Monaco Franze, Kir Royal & Co., als auch an dem Erfolg von "Mia san fucking mia"-Shirts, über die Nina hier ja schon einmal etwas ziemlich Wunderbares geschrieben hat.
Ich dagegen kenne eher ein München, in dem man sich nicht sicher sein kann, dass die beim Bäcker überhaupt wissen, was "Auszogne" sind. Und das finde ich – da kann man mich jetzt Lokalpatriot schimpfen oder nicht – irgendwie richtig schade. Weil ich das Gefühl habe, das Münchner Bairisch, oder wie Manche auch sagen: das Münchnerisch, stirbt nach und nach aus, ja ist eigentlich längst ausgestorben, denn wir werden die Generation sein, die es nicht mehr an unsere Kinder weitergeben kann.
Wer dann in München in die Grundschule kommt und immer noch Bairisch redet, der wird ausgelacht und als "Bauer" beschimpft.
Dagegen müsste man doch etwas tun – Bairisch-Kurse anbieten, Bairisch in Schulen wieder cool machen, Hochdeutsch-bairische-Kindergärten einführen. Denn hier liegt nämlich das Problem: Ich habe als Kind noch Bairisch gesprochen, aber da im Kindergarten alle ErzieherInnen nur Hochdeutsch konnten, gewöhnte ich mir alles andere ziemlich schnell ab. Wer dann – und das ist, denke ich, bis heute so – in München in die Grundschule kommt und immer noch Bairisch redet, der wird von den anderen Schülern ausgelacht und als "Bauer" beschimpft.
Genau deswegen regt mich die Frage "Warum sprichst du eigentlich kein Bairisch?" auch so auf. Weil ich ja gerne würde, weil ich es mir nicht ausgesucht habe, weil ich bis heute zwar immer noch alles verstehe, aber mich beim Sprechen anhöre, als würde ich in meiner Freizeit "Mia san fucking mia"-Shirts tragen. Ich will wieder Bairisch lernen, aber dafür bräuchte es erst einmal eine Stadt, in der nicht nur die Umland-S-Bahn-Kinder Dialekt sprechen, sondern alle. Also: Wer macht mit?