Zwischen Seidenschal und Hybrid Shorts: Ein ganz normaler Sonntag an der Isar

© Anna Rupprecht

In Print-Zeitschriften gehört es dazu, dass der Herausgeber auf der ersten Seite die Stimmung, Meinung oder Richtung der jeweiligen Ausgabe einfängt. Warum gibt es das auch nicht online?, haben wir uns gefragt. Denn genauso schwirren jede Woche Gefühle, Stimmungen und Meinungen durch München, die wir zwar mitbekommen, aber nirgends festhalten. Diese Kolumne ist der Platz, an dem ich all meine Gedanken zu München und dem, was mir diese Woche in der Stadt begegnet ist, sammle. Heute: Hart sportlich oder hart schick – an der Isar kann man sich nur unwohl fühlen.

Ob total verkatert oder frisch geduscht – wer sich sonntags, so zum Ende der Woche hin, ein bisschen hässlich, dick oder arm fühlen möchte, der kann das ganz leicht und ganz für umsonst bei einem Isarspaziergang tun. Zuerst einmal, weil: Umso näher man dem Wasser kommt, desto mehr Menschen reihen sich ein in den Weg Richtung Isar. Es ist wie eine Dromedaren-Reise Richtung Oase. Alle drängen sie zum Wasser. Und bald ist es so voll, dass es von der Brücke aus wirklich so aussieht, als würden die Leute hier in Karawanen gehen. Aber das ist erst der Anfang des Unwohlseins.

Natürlich sind es keine durstigen Sahara-Bewohner, die hier ziellos neben dem Fluß laufen, sondern ziemlich gut genährte Großstädter, die sich ihren 30-Euro-Brunch von den Hüften spazieren.

Denn natürlich sind es keine durstigen Sahara-Bewohner, die hier ziellos neben dem Fluß laufen, sondern ziemlich gut genährte Großstädter, die sich ihren 30-Euro-Brunch von den Hüften spazieren – oder noch besser: gleich in der 150-Euro-Leggings (atmungsaktiv!) laufen gehen. Mit Lifestyle-Podcast im Ohr, iPhone-App am Arm und Body-Positivity all over. Dabei sind beide Spezies gleich unangenehm. Die Brunch-Gruppe ist meistens nämlich auch so reich, dass sie 3000-Euro-Kinderwägen vor sich hier schiebt, während sie mit feinen Lederschuhen und Seidenschal dem Matsch ausweicht.

In solchen Momenten fällt mir München echt schwer. Weil ich das manchmal schon echt liebe mit dem Schickmachen, aber manchmal halt auch einfach nicht. Zumindest an einem Tag in der Woche möchte ich nicht darüber nachdenken, was ich jetzt gerade an habe. Musst du ja nicht, sagt jetzt jemand. Stimmt auch, aber es fällt in der Hauptstadt mit Nerz halt doch ein bisserl schwerer als in anderen, bodenständigeren Städten. In Schlafanzughose und dreckigen Spazierschuhen (nicht atmungsaktiv) an die Isar gehen – kannst du schon machen, aber es ist dann halt scheiße. Nicht, weil die Anderen gucken – die sind viel zu sehr mit sich selbst und dem Nichtdreckigwerden ihrer eigenen Schuhe beschäftigt – sondern, weil du gezwungenermaßen auf dich selbst guckst. Und dich nicht wirklich zugehörig fühlst in der Reihe der schicken Isarspazierer.

Sommerbodys werden nicht im Winter gemacht, in München hat man die das ganze Jahr über.

Aber auch die andere unangenehme Gruppe lässt einen schlecht fühlen: Die krassen Isar-Jogger. Dabei sieht man auch immer weniger Normalos, die sich mal ein bisschen in ihren gammeligen Sportsachen versuchen, sondern immer mehr von den Profi-Läufern. Man joggt ja auch nicht mehr, man läuft. Und das in sündhaft teuren Klamotten, mit irrwitziger Ausrüstung. Gerade, dass die Isar-Jogger nicht noch Trinkrucksäcke auf haben (oder haben sie?). Das Sportoutfit ist überaus wichtig, im besten Fall ein farbliches Komplett-Match (Neon!) und natürlich von einer der beiden marktführenden Brands.

So laufen, nein stolzieren die Runtastics an dir vorbei, in ihren eh schon perfekten Körpern. Sommerbodys werden nicht im Winter gemacht, in München hat man die das ganze Jahr über. Und so kann man sich dann entscheiden, ob man wehmütig den fleißigen Joggern hinterherschaut, die am ersten Frühlingssonntag entweder nichts Besseres vor haben, als Laufen zu gehen (oder ausschließlich sportliche Freunde haben, um ihre Freizeit gleich doppelt effizient zu nutzen). Oder ob man die neureichen Münchner beobachtet, die einfach immer perfekt gestylt und happy aussehen. Beides irgendwie grausam, deshalb ist es wohl das beste, wenn man sich etwas ganz anderem umsieht: Einem neuen Plan für Sonntagnachmittag!

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