Von einem der auszog, um seine Heimat zu belächeln

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Jeder hat diesen einen Freund. Der, der nach dem Abi sofort weggezogen ist. In die große, weite Welt. Der, der immer die schönsten Facebook-Bilder und jeden Tag zehn neue Freundschaftsanfragen hat. Dessen Besitz sich auf zwei Umzugskisten beschränkt, während man selbst gerade das erste, richtige Sofa gekauft hat. Und, der auch irgendwann mal wieder nach Hause kommt. In die Heimat. Aber nur kurz, um das Nötigste zu regeln, versteht sich.

Denn zwischen Kanada und Australien, Tokio und New York, zwischen dem einen Job und der nächsten gutbezahlten Stelle, der kostenlosen Cartier-Party in Hong Kong und dem Barkeeper-Lifestyle in der Karibik, bleibt in der Regel wenig Zeit. "Vermisst du nicht manchmal deine Eltern?", stellt man die Frage. Kopfschütteln. "Vermisst du es nicht, ein richtiges Zuhause zu haben?", fragt man ihn. Achselzucken. "Und vermisst du uns?", fragt man dann am besten gar nicht mehr.

Dieses Lächeln sagt, ob es will oder nicht: "Ach ihr! Immer noch hier und immer noch alles wie immer."

Wenn man dann mit diesem einen Freund einen Abend beim Italiener verbracht hat, stellt man drei Dinge fest. Zuerst einmal, dass es wahnsinnig schwierig ist, ein Gespräch am Laufen zu halten. Er hat zu viel verpasst und auch zu wenig Interesse, um sich wirklich noch reinzudenken. In die kleine Welt. Der Kopf ist ganz woanders, die Geschichten von hier werden höchstens müde belächelt. Dieses Lächeln sagt, ob es will oder nicht: "Ach ihr! Immer noch hier und immer noch alles wie immer."

Zweitens: Obwohl man schon nach der ersten halben Flasche Wein gemerkt hat, dass man sich eigentlich nicht mehr wirklich unterhalten kann, wird der Freund nicht müde, eine geile Story aus der großen, weiten Welt nach der anderen auszupacken. Also bestellt man noch zwei weitere Flaschen Wein und plötzlich kommt einem der Lieblingsitaliener im Lieblingsviertel in der Lieblingsstadt vor, wie die letzte kleinstädtische Absteige.

Und plötzlich kommt einem der Lieblingsitaliener im Lieblingsviertel in der Lieblingsstadt vor, wie die letzte kleinstädtische Absteige.

Zu guter Letzt stellt man dann noch eine Sache fest, die fast ein bisschen weh tut: Man geht nach Hause und fühlt sich irgendwie langweilig. Plötzlich sind da wieder all die großen Fragen: Sollte ich hier bleiben? Ist das der richtige Job für mich? Wohne ich nun schon zu lange in meiner Wohnung? Dabei ist es fast egal, wie zufrieden man davor mit Wohnung, Job, Beziehung war – der Andere scheint das aufregendste Leben der Welt zu führen, während man selbst immer noch hier ist. Und alleine diese Tatsache fühlt sich zumindest in diesem Moment ziemlich beschissen an.

Bis man dann seine Wohnungstüre aufschließt. Und einmal mehr gerne nach Hause kommt. Seine Wohnung so sehr liebt, dass man nicht weiß, ob man überhaupt jemals wieder umziehen können wird. Eben genau, weil man alles kennt. Weil sich alles vertraut anfühlt. Man kriecht unter die Decke zu jemandem, der sich anfühlt wie Zuhause und denkt: "Was, wenn mir diese kleine Welt hier vollkommen reicht?".

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