Monaco Franzi: Was ist das für 1 Sommer?
Unsere Kolumnistin Monaco Franzi lebt, liebt und leidet in Schwabing. Hier berichtet sie von den Irrungen und Wirrungen ihres (Liebes-)Lebens und erzählt, warum sie München meistens schätzt und manchmal hasst. Heute: Immer dieses Gschiess mit dem Sommerwetter.
Sonntagnachmittag. Voller Vorfreude habe ich mich in mein neues Sommerkleid geworfen, dazu eine Sonnenbrille aus den 60er Jahren von Omi – fertig ist der Sommerlook. Nur ein letztes Accessoire fehlt noch, bevor ich vor die Tür kann: der Regenponcho. Zur Auswahl stehen transparent mintgrün oder halt nur durchsichtig, ich nenne es frischhaltefolienfarben. Etwas skeptisch stehe ich vor dem Spiegel und beäuge meine Frisur unter der Kapuze und dazu die transparenten Fledermausärmel. Ich sehe aus, als würde ich in einem lebensgroßen Kondom stecken, aber es hilft ja nichts. Ich muss zu einem Date und draußen regnet es (mal wieder) in Strömen.
Der Sommer bisher ist echt mal unter aller Sau. Seit Wochen wird man von Open-Air Duschen überrascht. Der Wettergott täuscht immer wieder mit einigen Sonnenstunden an und grätscht dir dann hässlich mit einem Platzregen dazwischen – um es mal in Fußball-Sprache auszudrücken. Denn das versaut uns der Regen nämlich auch: die EM.
Public Freezing
Es gäbe so schöne Plätze, an denen man sich Jogis Intimbereich-Gegrusche ansehen könnte: Die Praterinsel mit Sand zwischen den Füßen zum Beispiel, die unzähligen, wunderschönen Biergärten (Wiener Platz! Aumeister! Hirschgarten!) oder einfach im heimischen Hinterhof mit Bierbank, Girlanden und Grill. Aber nein. Stattdessen sitzen wir drinnen, zusammengepfercht und miesepetrig. Statt in der Halbzeit Selfies mit der neuen Bekanntschaft am Nachbartisch zu machen, die einem netterweise die Sonnencreme geliehen hat, wird lieber ein Shitstorm losgetreten, weil eine Frau ein Fußballspiel kommentiert. Herrgott, noch mal. Ist ja gut.
Stichwort Gott – ich bin mir inzwischen sicher, der werte Herr Wettergott trägt eine persönlich Fehde gegen mich aus und sabotiert mich, wo er nur kann. Punktgenau wenn ich das Haus verlasse, schifft es los. Neulich hatte ich ein Vorstellungsgespräch, der Himmel von meinem kleinen Schwabinger Balkon aus war blau und wolkenlos.
Mit dem Rad zum Vorstellungsgespräch waren es 20 Minuten, mit den Öffis 30 Minuten. Klare Sache. In der Gewissheit mit einer gestärkten weißen Bluse und meiner Hornbrille pure Kompetenz auszustrahlen, radelte ich los. Fünf Minuten und fünf Ampeln später – ein Wolkenbruch vom feinsten. Hinterfotzig hatten sich die Wolken hinter meinem Rücken aufgetürmt und sich zielgenau entladen.
Sag mal, weinst du oder ist das der Regen?
Triefend nass kam ich also eine Viertelstunde später an meinem potentiellen Arbeitsplatz an und flüchtete mich dort erst einmal in die Damentoilette. Der Blick in den Spiegel – eine Tragödie. Die verlaufene Mascara in der Kombination mit meinem leidenden Blick ließ vermuten, dass sich wohl gerade die Liebe meines Lebens von mir getrennt haben musste. Schlimmer war nur der Zustand meiner Bluse: immer noch mit gestärktem Kragen, aber alles andere als blickdicht. Ich sah eher nach einer Bewerberin für den Wet-T-Shirt-Contest aus, als nach einer kompetenten Sozialwissenschaftlerin mit Masterabschluss.
Die Zeit bis zum Vorstellungsgespräch rannte. Panisch kramte ich in meiner Tasche und fand ein T-Shirt, das ich eigentlich seit Wochen einer Freundin zurückgeben wollte. Angezogen erinnerte ich mich auch wieder daran, warum ich es ihr zurückgeben wollte. Mit großen Lettern stand darauf „Woke Up Like This“, was in meinem gegenwärtigen Antlitz bestenfalls als Selbstironie ausgelegt werden konnte. Leider war ein Trikottausch alternativlos.
Meine künftigen Chefs waren – anders als ich – furztrocken und hatten kein bisschen Humor. Das Interview war dementsprechend schnell vorbei, mehr muss ich wohl nicht sagen. Spätestens seit diesem Zwischenfall bin ich mit dem Regenwetter auf Kriegsfuß.
Lieber Regen als gar kein Wetter
Die verregneten Junitage haben aber auch ihre guten Seiten: Zum Beispiel kann ich heute in meinem Bett liegend diese Zeilen schreiben, ohne eine coole Rooftopbar-Party zu verpassen. Das Wetter lädt zum Biedermeiern ein – der Rückzug ins Private, der Rückzug in die Steuererklärung, in den Putzwahn, in das Aussortieren. Und was die Ausstellungen in München angeht, bin ich versiert: 100 Jahre Leica, Joaquin Sorolla, Banksy, Prouvost. Ich hab sie alle gesehen. Nicht unbedingt verstanden, aber gesehen.
Aber zurück zu meinem Date: Wir treffen uns an der Pinakothek der Moderne, schauen natürlich auch Kunst, weil drinnen. Inzwischen habe ich meinen Regenponcho abgelegt und sitze ihm im Café dort gegenüber. Eisbrecherthema: Das bescheidene Wetter. Ich probiere es mit etwas Positivem: „Klar, der Regen ist schon ätzend, aber zum Fotografieren ist es natürlich traumhaft. Der Himmel und die dunklen Wolken – toll“. Stille. „Meine Familie wohnt in Simbach am Inn. Wir haben da gerade eher ein schwieriges Verhältnis zum Regen.“
Ach Wettergott, ich geb's auf – 2:0 für dich. Ich verkriech mich in meinem Bett bis die Sonne wieder scheint. Ciao, Servus!