Münchner Originale #3: Norbert Grünleitner
Sie gehören zum Stadtbild wie die Frauenkirche, das Siegestor oder der Olympiaturm. Egal wie sehr sich die Stadt verändert, sie sorgen dafür, dass München authentisch bleibt. Menschen, die die Seele der Stadt verkörpern. Was wäre München ohne seine Originale? Wir haben uns auf den Weg gemacht, um mehr über sie und ihre – unsere – Stadt herauszufinden. Dieses Mal, passend zur Wiesn: Norbert Grünleitner, der U-Bahn-Ansager der Theresienwiese.
„Dieser Zug ist koa Adventskalender, ihr dürft's alle Türen gleichzeitig öffnen.“ Norbert Grünleitner steht in dem gläsernen Kasten in der Mitte der U-Bahn Station Theresienwiese. Sein Blick wechselt unaufhaltsam von seinen Monitoren zum Bahnhsteig. Dort drängelt sich eine kleine Flut aus buntkarierten Menschen aus der U5 Richtung Laimer Platz. Gleich ist Reservierungswechsel in den Zelten.
Bereits zum 14. Mal ist die U-Bahn Station für zwei Wochen Grünleitners Reich. Er ist Einsatzleiter für die wichtigsten U-Bahn-Linien und Haltestellenwährend der Wiesn – U4 und U5 vom Hauptbahnhof bis zur Schwanthalerhöhe. Die meisten kennen allerdings nur seine Stimme. Und die charmanten Ansagen, die die Fahrgäste immer wieder zum Lachen bringen.
„Jetzt kommts amal zu mir in die Mitt’n. Des sind 60 Meter, 70 Schritte, nach drei Maß auch gerne 80 oder 90.“ Was sich für die Wiesnbesucher nach Sprücheklopfen und Witze erzählen anhört, ist in Wirklichkeit ziemlich anstrengend. Grünleitner ist täglich zehn Stunden vor Ort. Am Mikro aber nie länger als zwei Stunden am Stück: „Des schaffst ja gar nicht. Wir wechseln uns da schon ab.“ Auf dem Tisch liegt eine Box voller Brausestäbchen – zum Zunge auflockern.
Dieser Zug ist koa Adventskalender, ihr dürfts alle Türen gleichzeitig öffnen.
Ursprünglich kommt er aus Eglharting im Landkreis Ebersberg. Daher hat er auch sein rundes, weiches Oberbayrisch mit dem er die Fahrgäste so charmant informiert. „Du musst die Leute moderieren“, erklärt er und schaut aufmerksam am Bahnsteig entlang.
Seine Aufgabe ist es, für einen reibungslosen Ablauf zu sorgen und natürlich für die Sicherheit der Leute. Dabei ist es ihm wichtig klarzumachen, dass es bei seiner unterhaltsamen Art nicht darum geht, die Leute zu unterhalten: „Ich will ja nicht, dass die hier bleiben.“
Zu den Stoßzeiten kommen alle zwei bis drei Minuten Züge mit 800 bis 1000 Fahrgästen. Seine ruhige, aber witzige Art wirkt deeskalierend. Die Besucher kommen aufgeheizt genug aus den Zelten. Damit nicht das absolute Chaos ausbricht, muss er die Ruhe bewahren: „Nerven braucht man da scho. Den Leuten muss man auch gerne alles doppelt und dreifach erklären.“
Ich will ja nicht, dass die Leute hier bleiben.
Die Besucherzahlen des Oktoberfests sind dieses Jahr drastisch zurückgegangen im Vergleich zu 2015. Das merkt natürlich auch Norbert Grünleitner. Letztes Jahr hat die MVG 3,7 Millionen Besucher zur Wiesn gebracht. Diese Zahl werden sie dieses Jahr wohl nicht erreichen.
Dennoch ist er stets aufmerksam. Durch den Knopf in seinem Ohr bekommt er ständig mit, was in den anderen Stationen los ist. Mitten im Gespräch klingelt eines der Telefone. Er hört zu, nickt, winkt seine Mitarbeiter her und gibt Anweisungen.
Grünleitner gefällt seine Arbeit. Das merkt man ihm sofort an. In den 14 Jahren, in denen er die Station überwacht, hat er schon viel erlebt. Der Alkohol macht emotional. Paare streiten sich, trennen sich, liegen sich in den Armen, lernen sich kennen.
Seine Lieblingsanekdote ist aber die von der hochschwangeren Frau, bei der plötzlich mitten am Gleis die Wehen einsetzten. Grünleitner reagierte geistesgegenwärtig. Der Notarzt war dann schnell genug zur Stelle, das Kind kam im Krankenhaus auf die Welt. Er muss lachen: „Sonst hätt’ ma vielleicht a kloane Theresa g’habt."
Vielen Dank an Julian Mittelstaedt von jmvotography für die Fotos.