Münchner Originale #1: Der Obststandl-Didi
Sie gehören zum Stadtbild wie die Frauenkirche, das Siegestor oder der Olympiaturm. Egal wie sehr sich die Stadt verändert, sie sorgen dafür, dass München authentisch bleibt. Menschen, die die Seele der Stadt verkörpern. Was wäre München ohne seine Originale? Wir haben uns auf den Weg gemacht, um mehr über sie und ihre – unsere – Stadt herauszufinden. Den Anfang macht: Der Obststandl-Didi.
„Ja, servus, griaß di. Zwei Bananen? Gerne. Wie immer bissl reifer?“
Didi beäugt die Bananen über ihm kritisch, wählt mit Kennerblick und reicht dem jungen Mann grinsend das Obst. Ein kleines Mädchen läuft strahlend auf den Obststand zu, gibt Didi eine saubere High Five und rennt kichernd davon. „Das ist meine Freundin, die kommt hier jeden Tag vorbei und lacht immer so herzig.“
Jeden Tag. Didi muss es wissen, denn er ist – bis auf den heiligen Sonntag – täglich an seinem Standl an der Universität. Zu jeder Jahreszeit. Seit fast 33 Jahren nun.
Damals traf er eine Lebensentscheidung. Zuvor war er als Schwarzarbeits-Fahnder beim Arbeitsamt. Doch als er vom Außendienst wieder an den Schreibtisch zum Akten wälzen versetzt werden sollte, war das für ihn keine Option. Dafür war er zu „wild“. Er braucht die Menschen, sein Publikum. Zum Glück hatte sein Bruder Georg zuvor den Stand an der Universität dem griechischen Vorbesitzer abgekauft. „Mein Bruder hat eam fünftausend Mark geboten, dann zehntausend, aber der hat ned wolln. Am Ende warns zwanzge, aber nur, wenn er glei weg is.“
Nicht umsonst lautet sein Motto: S'Lebn is a Freid
Wenn Didi erzählt, leuchten seine blitzblauen Augen. Er grinst schelmisch, der charmante Sprücheklopfer mit dem weichen bayerischen Dialekt und dem leichten, aber unverkennbaren Lispler. Manchmal hat man das Gefühl an seinem Stand geht es am allerwenigsten ums Obst und Gemüse. Mehr um das Leben und die nie endende Freude daran. Sein Motto lautet nicht umsonst „ s'Lebn is a Freid“. Er ist ein geborener Entertainer – vielleicht auch Selbstdarsteller – nicht nur beim Obstverkauf. Fast zwei Jahrzehnte war er Wetterfrosch im Münchner Fernsehen, hat immer wieder in Werbungen mitgespielt. Einen unverhofften Karriereschub erhielt er durch eine Imagefilm-Parodie zu seinem Obststandl, mit dem er 2014 sogar den Deutschen Webvideopreis gewann. Heute hat er einen Snapchat-Account.
Didi, der eigentlich Dieter Schweiger heißt, ist Münchner durch und durch. Sein Herz schlägt – wie soll es anders sein – für die Sechzger. Sein erstes Buch „Münchner Obststandl Gschicht'n: vom Didi verzapft“ kostet passend dazu 18,60 Euro. „I leb in Haidhausen. Scho immer. Zwei Zimmer und no immer an oiden Mietvertrag“, erzählt er mit einem frechen Zwinkern und fügt hinzu: „Für die 60 Quadratmeter zahl ich bloß…“ Nagut, das erspar ich euch. Seinen freien Stunden verbringt er am liebsten in seinem „Wohnzimmer“, dem Biergarten am Chinesischen Turm oder auch mal als Ehren-Türsteher vorm Crux.
Manch einer mag sich fragen, wie Didi es schafft, scheinbar immer gute Laune zu haben. Vielleicht, weil er der Münchner ist, der mit Abstand und unverkennbar die meiste Sonne abbekommt. Vielleicht, weil er seine Berufung gefunden hat oder vielleicht einfach, weil das Leben a Freid is.
Vielen Dank an Julian Mittelstaedt von jmvotography für die Fotos.
Obststandl Didi // Ludwigstraße 29, 80539 München // Montag–Samstag: 07.00–20.00 Uhr