Warum ich es hasse, an die Isar zu gehen
Der Sonne geht es in diesem Jahr wohl ähnlich wie mir, wenn ich meine Freunde an der Isar treffen muss: Sie findet nicht wirklich her und ist deshalb viel zu spät. Aber gut, immerhin ist sie nun da und sorgt eventuell dafür, dass wir nicht mit einer trostlosen Bildschirmbräune im Gesicht durch die Gegend laufen müssen. Außerdem gibt es dann doch endlich das ein oder andere Feierabendbier an der frischen Luft. Am liebsten an der Isar. Am liebsten? Beim besten Willen nicht.
Heute Abend Isar?
Irgendwann zwischen 17 und 18 Uhr fängt das Handy an zu vibrieren. Nicht nur einmal, sondern in einer Frequenz, dass man glaubt, der Schreibtisch hebe gleich ab. Blick aufs Display – Kati @ Isar Feierabendbier: "Also, ich schaffs erst auf 19h. Schickt dann halt nen Standort." Und hier nimmt das Grauen seinen Anfang. Bis Feierabend hat man zwar tausend Whats-App-Nachrichten, aber keine Ahnung, was eigentlich los ist. Bier klingt zumindest gut. Also los.
Der Einfallsreichtum in Sachen Treffpunkt an der Isar hält sich dann in Grenzen. „Ja, da bei der Reichenbachbrücke halt, wo wir immer sind. Nicht da, wo alle sind, sondern bissl weiter rüber.“ Aha. Beim Blick von der Brücke wird mir schlecht. Ich habe keinen Sinn für die Instagram-Like-Huren-Aussicht auf diesen idyllischen Fluss. Da unten breitet sich ein Menschenteppich aus, dass mir schwindelig wird. Wimmelbilder à la "Wo ist Walter?“ sind ein Scheiß dagegen. Also, tief Luft holen und runter da, mein Handy wird mir den Weg schon weisen.
Ja, da bei der Reichenbachbrücke halt, wo wir immer sind. Nicht da, wo alle sind, sondern bissl weiter rüber.
Mit einem Hechtsprung rette ich mich vor einem Rennrad-Rowdy im Tour de France-Dress auf der Radl-Autobahn. Mein Telefon vibriert schon wieder als ginge es um Leben und Tod. Tut es ja auch. Jemand soll noch Bier mitbringen. Ich fühle mich nicht angesprochen.
Mein Blick ist gesenkt, ich folge dem blauen Punkt auf meinem Display und hoffe, dass ich niemanden treffe, den ich kenne. Oder den ich kennen sollte, aber nicht erkenne. Jemand, der mir dann zuwinkt und ich betreten rechts und links über meine Schulter schaue und hoffe, dass ich nicht gemeint bin. Definitiv keine Lust auf: "Hey, und du so, ist ja witzig. Wie gehts so?". "Du ich muss mal los, hab’ noch ne vegane Mettwurst im Ofen."
Irgendwie finde ich dann die Leute, wegen denen ich überhaupt hier bin. Da kauern sie auf ihren provisorisch ausgebreiteten Hemden und Jacken, unter denen sich die großen, runden Kieselsteine abzeichnen. Hallo, Arschreflexzonen-Massage.
Ich muss an diesen bunten Dekokies denken, den es immer in Einrichtungsgeschäften gibt. Wahrscheinlich denkt der sich: Wenn ich groß bin, werde ich Isarkies und zahle es den Menschen heim, dass sie mich immer in Glasgefäße stecken und Kerzen auf mir abstellen.
Definitiv keine Lust auf: "Hey, und du so, ist ja witzig. Wie gehts so?".
Gmiatlich ist was anders!
Wenigstens löst sich das Bierproblem. Unterwürfig reichen wir Mama Afrika unsere leeren Flaschen und 20 Euro für fünf neue Bier. Autsch. Immerhin ist es kalt. So kalt, wie der Fluss. Zwei Wagemutige, die ihren Hauptwohnsitz im Giesinger McFit zu haben scheinen, waten in ihren engen Slips durch die Fluten.
Sie staksen herum wie Germany’s Next Topmodel Kandidatinnen in Folge 1. Barfuß auf Kies ist ja auch super für die Durchblutung der Füße. Irgendwann fallen sie um und lassen sich mit der Strömung „treiben“. Weiter entfernt von bayerischer Gemütlichkeit geht fast nicht.
Und so plätschert (höhö) der Abend dahin. Irgendwann wird es dunkel, die Mücken erwachen und zu sagen haben wir uns irgendwie auch nicht mehr viel. Aufbruchstimmung. Als ich zuhause bin, vibriert mein Handy. Sie wurden zur Gruppe „Wochenende Isar Grillung“ hinzugefügt. Na, habe die Ehre. Ich fahr an den See.