Wie Pokemon Go mein Leben veränderte

© Julian Schöll

Ehrlich gesagt, hat Pokemon Go mein Leben gar nicht verändert, aber ihr habt auf den Artikel geklickt, also erzähl ich euch trotzdem, was ich erlebt habe. Das Ganze kommt einem klassischen, griechischen Drama ziemlich nah. Daher: Mein Weg zur Pokemon-Meisterin in fünf Akten:

1. Akt: Aller Anfang ist schwer

Es ist ein Wunder, dass ich es überhaupt geschafft habe, die App auf meinem bald schon antiken iPhone 4s zu installieren. Nach dem Prinzip der geplanten Obsoleszenz hätte das gute Stück nämlich schon längst das Zeitliche segnen müssen. Also gut, anmelden klappt auch. Dann erstmal Ladebalken – eher so Pokemon Stop and Go. Serverfehler und das GPS-Signal findet es auch nicht. Kruzifix. Da soll mir nochmal jemand was von Chancengleichheit in Deutschland erzählen. Meine Karriere als Pokemon-Meisterin scheitert daran, dass ich mir nicht das neueste Smartphone leisten kann. Gut, dass es Mitbewohner gibt, die über bessere technische Ausstattung verfügen als ich. Es ist also noch nichts verloren.

2. Akt: Bleibe wachsam. Behalte deine Umgebung immer im Auge.

„Da fliegt ein Zubat über deinem Kopf.“ Wir sind gerade mal aus dem Haustor draußen, da begegnet uns schon das erste Pokemon. Zack, schon steckt das arme Viech im Pokeball. Ich hoffe, es hat es bequem darin. Vielleicht mit einer kleinen Couch und einem Fernseher. Ich feier die ganze Sache jetzt schon extrem und kann es kaum erwarten, noch mehr kleine Wesen gewaltsam in meinen Besitz zu bringen. Wir verbinden das Angenehme mit den Nützlichen: Endlich Pfandflaschen wegtragen und den Brief zur Post bringen, den ich seit einer Woche mit mir rumschleppe.

Rattfratz. Habitak. Taubsi. Zubat. Traumato © Julian Schöll

3. Akt: Ich will die Allerbeste sein

In unregelmäßigen Abständen schlägt die App Alarm. Jedes Mal steigt der Puls und ich schreie meinen Mitbewohner an: „Wo? Wo? Verdammt nochmal, Wo?“
Nachdem der alte Nordfriedhof überraschenderweise ein totaler Reinfall ist – also was Pokemons angeht, sonst ist es da ziemlich schön – verschlägt es uns zur alten Pinakothek. Absolutes Schlaraffenland. Wir spekulieren, dass kulturell wertvolle Orte stark mit dem Pokemonaufkommen korrellieren. Es folgt ein harter Kampf mit einem Rattikarl, das sich einfach nicht fangen lassen will. So eine Diva. Fast geben wir echtes Geld aus, um bessere Pokemonbälle zu bekommen. In mir tanzen Euphorie und Ehrgeiz wild Tango. Skepsis sitzt daneben und schaut zu.

Rattikarl. Enton. Sterndu. Pinsir.Raupi © Julian Schöll

4. Akt: Es regnet Fukanos und Mauzis

Die ersten Regentropfen treffen uns auf dem Weg in den Englischen Garten. Wir wollen ans Wasser, um unseren Pokedex um ein paar Aqua-Pokemon zu erweitern. Unterwegs frage ich mich, wo auf einmal diese ganzen kleinen Läden herkommen, die ich vorher noch nie gesehen habe. Leider keine Zeit, um reinzuschauen. Wir sind auf der Jagd. Der Regen wird stärker. Wie gut, dass wir zwar keinen Regenschirm dabei haben, aber das Smartphone wasserdicht ist. Der Plan mit den Wasserpokemon geht auf. Jedem Menschen, dem wir begegnen und der sein Handy in der Hand hält, lächeln wir wissend zu. Wir kommen sogar mit wildfremden Leuten ins Gespräch. Mein Mitbewohner sinniert: „Meinem Hund hätte das früher ganz gut getan.“ Es regnet immer stärker.

Krabby. Bluzuk. Abra. Flegmon. Karpador. © Julian Schöll

5. Akt: Wer süchtelt, der findet

Mittlerweile wären wir froh, wenn wir uns selbst in einen Pokeball zurückziehen könnten, denn es regnet nicht mehr nur, es schifft aufs Übelste. Also auf dem direkten Weg nach Hause: „Nein, halt, lass uns da vorn doch nochmal abbiegen.“ Bisher hat uns das Spiel immer ganz gut bei Laune gehalten, doch diesmal werden unsere Erwartungen bitter enttäuscht. Das Relaxo chillt vermutlich im Hinterhof der Akademie, hinter einem Zaun. Naja, nächstes Mal. Zuhause schwingen wir uns in trockene Kleidung und lassen Pokemon Pokemon sein. Zumindest bis das Handy vibriert. „Woah, Nina! Es ist genau hinter dir!“

© Julian Schöll
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