Bin gern weg und komm' gern wieder!

© Anna Rupprecht

In Print-Zeitschriften gehört es dazu, dass der Herausgeber auf der ersten Seite die Stimmung, Meinung oder Richtung der jeweiligen Ausgabe einfängt. Warum gibt es das auch nicht online?, haben wir uns gefragt. Denn genauso schwirren jede Woche Gefühle, Stimmungen und Meinungen durch München, die wir zwar mitbekommen, aber nirgends festhalten. In dieser Kolumne ist Platz, um all meine Gedanken zu München und dem, was mir in der Stadt begegnet ist, zu sammeln. Das Thema dieser ersten Ausgabe: Heimatgedanken.

Auch, wenn wir ja immer wieder gefragt werden, ob wir von Berlin aus arbeiten – Nina und ich leben teilweise seit immer hier, aber ein bis zwei Mal im Jahr sind wir in der Redaktion in der Haupstadt, um von dort aus zu arbeiten. Ich mag diese Wochen immer, auch wenn sie sich anfühlen, wie wenn man zwischen zwei Waggons in der Straßenbahn auf einer dieser Dreh-Plattformen steht.

Plötzlich fühle ich mich mehr als Münchnerin, als ich es zuhause jemals tun würde.

Aufregend ja, aber auch ein bisschen wackelig steht man da und checkt zwischen zwei Städten verschiedene Wetterberichte und Gemütslagen, versucht mithilfe seiner München-Freunde einen guten Draht zur Heimat zu behalten, obwohl man gerade ganz woanders ist. Auch und vor allem mit dem Kopf. Das beantwortet auch schon die Frage, ob wir das überhaupt von irgendwo anders aus machen könnten.

Eine Sache passiert mir dabei aber immer – ganz egal, ob ich „nur“ in Berlin bin oder am Strand auf Kreta liege: Ich rutsche in eine kleine Heimatkrise – aber nicht in eine dieser dramatischen, in der man alles in Frage stellt, sondern in eine der melancholischen Art. Plötzlich fühle ich mich mehr als Münchnerin, als ich es zuhause jemals tun würde. Ich packe meine paar Fetzen Bairisch aus, bekomme ein bisschen Herzklopfen, wenn im Supermarkt ein Kasten Tegernseer steht und lasse keine Gelegenheit aus, von meinem ach so schönen München zu erzählen.

Ich weiß, wo die Straßenlöcher sind, denen ich auf meinem Fahrrad ausweichen muss. Und das gibt mir, obwohl es schnarchend langweilig klingt, auch eine tiefe innere Ruhe.

Es ist ein bisschen wie in einer On-Off-Beziehung mit Trennung auf Zeit: Alles, was mich an München manchmal auch ziemlich nervt, ist ganz plötzlich wie ausgelöscht. 580 Kilometer entfernt, verblassen die viel zu vielen Menschen und die teuren Eiskugeln und übrig bleibt nur noch der bunte Hintergrund: Ein wunderschöner Sommertag an der Isar. Ich vergesse, dass es mich oft langweilt immer denselben Weg zur Arbeit zu gehen und empfinde stattdessen eine große Sehnsucht nach dieser ewiggleichen Konstante.

Denn auch, wenn ich auf diesem Weg selten etwas Neues erlebe, kenne ich doch alles – jede Abzweigung zwischen Glockenbach und Untergiesing, jeden guten Ausblick auf der Brücke, jede Straße und jeden Baum vor meiner Haustüre. Ich weiß, wo die Straßenlöcher sind, denen ich auf meinem Fahrrad ausweichen muss. Und das gibt mir, obwohl es schnarchend langweilig klingt, auch eine tiefe innere Ruhe. Ich muss hier nicht nachdenken und kann einfach sein.

Auch, wenn ich nur eine Woche weg war, kommt mir danach alles ein bisschen neu vor.

Genauso ist es auch in fremden Wohnungen. AirBnb wurde dafür gemacht, dass man sich in anderen Städten ganz wie daheim fühlen kann. Ich bin dagegen froh, wenn ich in der ersten Nacht im fremden Bett überhaupt ein Auge zukriege. Es gibt wirklich nichts auf der Welt, was mich so runterfahren lässt, als die Türe zu meiner eigenen Wohnung aufzumachen. Hier kenne ich alles, hier passieren keine unvorhersehbaren Dinge. Ich kenne die Handtücher, das Bett und den Blick aus dem Fenster.

Und genau darauf freue ich mich immer wieder, wenn ich heim komme. Auch, wenn es nur eine Woche war, kommt mir danach alles ein bisschen neu vor. Mein Heimweg, mein Supermarkt, das Büro, der Blick auf die Isar. Das hält zwar immer nur für ein, höchstens zwei Tage an, aber es ist wie, sich in einer langjährigen Ehe wieder ineinander zu verknallen. Ziemlich schön und ziemlich unaufgeregt.

Zurück zur Startseite